Gottesstreiter
Ufer der
Glatzer Neiße entlang. Er überwand den Bergrücken über dem Durchbruch des Flusses, ritt am Dorfe Eichau vorbei und in den
Glatzer Kessel hinein.
In Glatz wurde zur Vesper geläutet.
Er umging die Stadt im Norden und überquerte wiederum die Neiße. Er gelangte zu einer Weggabelung, an die Stelle, wo sich
der Weg von Mittelwalde mit dem kreuzte, der nach Lewin und Nachod führte.
Und hier, vor einem Dorf, dessen Namen er nicht kannte, hielt ihn eine hussitische
hlidka
an. Eine Vorhut, eine Streife aus vier berittenen Bogenschützen.
»Ich bin von Vogelsang!«, antwortete er, als man ihn anrief. »Reinmar von Bielau. Bringt mich zum Stab.«
Die Waisen waren auf dem Marsch. Královec hatte das Lager bei Rengersdorf aufgegeben und zog nach Norden. Sie ziehen direkt
ins Steinetal, dachte er. Ich muss sie nicht einmal dazu überreden, ich muss sie nicht überzeugen, sie tun genau das, was
Herzog Johann wollte. Sollte das ein Zeichen Gottes sein? Ich muss nichts tun. Ich muss niemanden verraten. Wenigstens nicht
wissentlich. Ich werde ganz einfach schweigen. Ich verschweige, was geschehen ist. Jutta wird gerettet ...
Die an den Flanken von Reitern und Fußvolk bewachte Kolonne war etwa eine halbe Meile lang – zu ihr gehörten an die hundertfünfzig
Streitwagen und ein halbes hundert Transport- und Versorgungswagen. Es dauerte etwas, bis die Streife Reynevan zu den Hauptleuten
gebracht hatte. Bis an die Spitze der Kolonne, die Schwedeldorf schon weit hinter sich gelassen hatte.
»Reynevan!« Jan Královec von Hrádek schien sehr erstaunt zu sein. »Du lebst? Sie haben erzählt, Herr Puta habe dich in Glatz
zu Tode gequält. Du und Řehors wärt ihm in die Hände gefallen ... Durch was für ein Wunder ...«
|685| »Jetzt ist keine Zeit dafür, Bruder, keine Zeit ...«
»Ich verstehe.« Královecs Gesicht wurde starr. »Rede, was bringst du?«
Reynevan holte tief Luft. Jutta, dachte er, Jutta, vergib mir ...
»Johann von Münsterberg zieht von Norden her mit tausend Mann schwerer Reiterei gegen euch. Sie wollen euch auf dem Marsch
überfallen. Euch ein zweites Kratzau bereiten.«
Královec biss die Zähne zusammen, als dieser Name fiel. Die anderen Hauptleute gaben ein dumpfes Gemurmel von sich. Jan Kolda
von Žampach war unter ihnen. Auch Matĕj Salava z Lipé. Da war einer, der Matĕj sehr ähnlich sah und auch das gleiche Wappen
trug, zweifellos sein Bruder Jan. Brázda von Klinštejn war da, die Sturmleitern der Ronovic im Wappen tragend, auf einem gewaltigen
Streitross, einem Grauschimmel. Vilém Jeník von Mečkovo war da, der Hauptmann von Leitomischl, den Reynevan nur vom Sehen
kannte. Piotr z Lichwin war da, den sie den Polen nannten, der jetzige Kommandant der im Frühjahr eroberten Burg Homole. Und
der rabenschwarze Pole Piotr ergriff auch als Erster das Wort.
»Was haben dir Münsterberg und Puta außerdem zu sagen befohlen?«, fragte er mit drohender Stimme. »Wozu solltest du uns überreden?«
»Ich sollte euch dazu bringen, das zu tun, was ihr gerade tut«, antwortete Reynevan nachdrücklich, das Gesicht Královec und
nicht dem Polen zugewandt. »Zum Marsch nach Norden ins Steinetal. Ihr lauft ihm direkt in die Falle. Wenn ich ein Provokateur
wäre, wie Herr von Lichwin glauben machen will, hätte es genügt zu schweigen. Aber ich warne euch vor der Gefahr. Rettet euch
vor der Niederlage und dem Tode. Ihr wisst nicht einmal, welchen Preis ich dafür zahle. Wenn ihr mich für einen Spion haltet,
dann tötet mich. Ich sage kein Wort mehr.«
»Das ist Reynevan«, sagte Brázda von Klinštejn. »Einer von uns! Und er warnt uns. Was sollte er dadurch, dass er uns warnt,
erreichen wollen?«
|686| »Dass wir anhalten«, sagte Vilém Jeník langsam. »Der feindlichen Armee die Zeit geben, die sie braucht. Den Dorfbewohnern
der Dörfer, die wir plündern wollen, Zeit zum Fliehen geben. Ich kenne diesen Menschen nicht ...«
»Aber ich kenne ihn«, unterbrach ihn Královec heftig. »Ich befehle, die Kolonne anzuhalten. Bruder Vilém, Wachen und Streifen
nach Norden und in Richtung Glatz. Bruder Piotr und Bruder Mat ěj, ihr kümmert euch um die Reiterei.«
»Stellen wir eine
hradba
auf?«
»Wir stellen sie auf«, bestätigte Královec, der in den Steigbügeln stand und sich umsah. »Wie heißt das Dorf da, das wir eben
hinter uns gelassen haben? Weiß das einer?«
»Altwilmsdorf.«
»Dort gehen wir in Stellung. Weiter,
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