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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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befohlen, ihn von dort zu entfernen. Propst Rokycana duldete Totschlag,
     in gewissen Grenzen, versteht sich, ausschließlich um der gerechten Sache willen, versteht sich, und nur dann, wenn der Zweck
     die Mittel heiligte, aber er tat dies nur unter Schmerzen.
    Aber Leichenschändung duldete er nie. Na, sagen wir mal, fast nie.
    »Leb wohl, Reinmar. Gib mir das Amulett. Du verlierst es sonst noch, und dann reißt mir Telesma den Kopf ab.«
    »Leb wohl, Samson. Aha, ich habe vergessen, dir zu danken. Für die telepathisch übermittelten Botschaften.«
    Samson sah ihn an, und das Lächeln eines Kretins erhellte plötzlich sein Idiotengesicht.
    »Dank deiner Pfiffigkeit und deiner Intelligenz ist alles glatt gegangen«, antwortete er. »Ich habe dir kaum geholfen, ich
     habe dir keinen Dienst erwiesen, sieht man einmal von dem Fass ab, das ich nach Smiřický geworfen habe. Was die Botschaften
     anbelangt, so habe ich dir keine geschickt. Ich habe dich telepathisch nur ein bisschen angeschoben, dich gebeten, du mögest
     dich beeilen. Weil ich nämlich ganz dringend pinkeln musste.«
     
    Es gab tatsächlich jede Menge Arbeit. Wie sich erwies, wurde jede Hand, die sich auf ärztliche Kunst verstand, dringend gebraucht.
     Die beiden Seitenschiffe von Maria vor dem Teyn waren voller Verwundeter, und wie Reynevan gehört hatte, lagen auch zahlreiche
     Verwundete in St. Niklas. Bis zum Einbruch der Dämmerung schiente Reynevan mit anderen Ärzten Brüche, stoppte Blutungen und
     vernähte, was zu vernähen war.
    |72| Als er damit aufhörte, aufstand, seinen schmerzenden Rücken streckte, zum wer weiß wievielten Male die vom Blutgestank und
     Weihrauchgeruch verursachte Übelkeit bekämpfte, als er schließlich beschloss, sich zu waschen, tauchte vor ihm wie ein Gespenst
     der Graue in den grauen Hosen auf. Reynevan seufzte und folgte ihm, ohne zu diskutieren oder eine Frage zu stellen.
     
    Bohuchval Neplach wartete auf ihn in der Wirtschaft »Zum böhmischen Löwen« in der Zeltnergasse. Die Wirtschaft braute ein
     ausgezeichnetes Bier und war für ihre Küche berühmt, aber das wohl kalkulierte Renommee schlug sich in den Preisen nieder,
     so dass Reynevan nicht zu den Gästen dieses Lokals zählte, weder zu Studentenzeiten noch jetzt konnte er es sich leisten.
     Heute hatte er daher zum ersten Mal Gelegenheit, mit dem Interieur und den Küchengerüchen Bekanntschaft zu schließen, die
     zugegebenermaßen verführerisch waren.
    Der Chef des taboritischen Geheimdienstes schmauste allein in einer Ecke sitzend, wobei er einer gebratenen Gans eifrig und
     tapfer zusprach und dabei völlig außer Acht ließ, dass ihm das Fett auf die Manschetten und die Brust seines mit Silberfäden
     bestickten Wamses tropfte. Er erblickte Reynevan, bedeutete ihm mit einer Geste, Platz zu nehmen, einer Geste, die er übrigens
     mit einem schaumbedeckten Humpen ausführte, aus dem er das Gänschen befeuchtete. Er aß weiter, hob nicht einmal den Blick.
    Er verspeiste die ganze Gans, sogar den Sterz, den er sich bis zum Schluss aufhob. Wer hätte das gedacht, sinnierte Reynevan,
     er ist klapperdürr, aber er hat den Appetit eines Krokodils. Ha, das kommt sicher von der anstrengenden Arbeit. Oder von einem
     Parasiten.
    Filou musterte die Reste seiner Gans und kam zu der Überzeugung, sie seien nun so wenig anziehend, dass er seine Aufmerksamkeit
     auf etwas anderes lenken könne. Er hob die Augen.
    |73| »Ja und?« Er wischte sich das Fett vom Bart. »Hast du mir etwas zu sagen? Zu überbringen? Zu melden? Du gestattest, dass ich
     rate? Du hast nichts.«
    »Du hast es erraten.«
    In Filous schwarzen Augen erschienen zwei kleine Teufelchen. Beide hüpften und schlugen Purzelbäume. Unmittelbar nach ihrem
     Auftauchen.
    »Ich habe einen Kerl verfolgt.« Reynevan tat, als bemerkte er nichts. »Fast hätte ich ihn gehabt. Aber bei St. Valentin ist
     er mir entwischt.«
    »Was für ein Pech«, sagte Neplach leidenschaftslos. »Hast du ihn wenigstens erkannt? Ist es vielleicht der gewesen, der mit
     dem Bischof von Breslau konspiriert hat?«
    »Der war’s. Glaube ich jedenfalls.«
    »Aber er ist dir entwischt?«
    »Er ist mir entwischt.«
    »Also hast du wieder eine Gelegenheit zur Rache verpasst.« Filou griff nach seinem Humpen. »In der Tat, du bist ein Pechvogel,
     ein wahrer Pechvogel. Nein, wirklich, nichts gelingt dir, das Schicksal ist irgendwie nicht auf deiner Seite. Manch einer
     hätte schon aufgegeben, bei so einem Pech. Aber ich

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