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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Böhmen wird so lange kein
     Königreich sein, bis der Papst den böhmischen König bestätigt. Erst dann wird es Frieden und Ordnung geben, und Böhmen kehrt
     als christliches Königreich nach Europa zurück.«
    »Nach Europa? Das bedeutet, zu Rom? Schön, kehren wir also zurück, aber nicht um den Preis des Verlustes unserer Eigenständigkeit!
     Und unserer Religion! Unserer christlichen Werte! Zuerst muss Rom, muss Europa diese christlichen Werte annehmen. Kurz gesagt,
     es muss sich zum rechten Glauben bekehren. Das heißt zu unserem. Daher:
Primo
: Europa muss die Kommunion mit dem Kelch anerkennen und annehmen.
Secundo
: Es muss auf die Vier Prager Artikel schwören.
Tertio
:   ...«
    »Ich bezweifle«, Raczyňski wartete das
Tertio
gar nicht erst ab, »dass sich Europa darauf einlässt. Vom Papst ganz zu schweigen.«
    »Das wird man sehen!«, rief Prokupek zornig. »Wie weit ist es von hier bis nach Rom? An die zweihundert Meilen? Spätestens
     in einem Monat könnten wir da sein! Und dann werden wir weitersehen! Wenn der römische Antichrist erst mal unsere Kampfwagen
     in Trastevere auffahren sieht, wird er schnell klein beigeben!«
    »Beruhigt euch, Brüder, beruhigt euch!« Prokop der Kahle ballte die Fäuste auf dem Tisch. »Wir sind für Frieden, hast du das
     vergessen? Unser gelehrter Bruder Petr Chelčický lehrt, dass nichts den Verstoß gegen das fünfte Gebot rechtfertigen |134| kann. ›Du sollst nicht töten‹ ist heilig und unverbrüchlich. Wir wollen keinen Krieg, also sind wir zu Verhandlungen bereit.«
    »Diese Bereitschaft wird den polnischen König erfreuen«, antwortete Raczyňski.
    »Das denke ich wohl. Aber Rom soll sein Haupt nicht so kühn emporrecken, sich auf keinen Sockel drängen und nicht von zwei
     Schwertern schwadronieren. Denn uns, den rechtgläubigen Böhmen, Bruder Wyszek, fällt es schwer, davon auszugehen, dass die
     Päpste, die sich in letzter Zeit wie die Karnickel vermehren, seien sie römischer oder anderer Observanz, befähigte Stellvertreter
     Gottes auf Erden sein sollen und dass sich die beiden Schwerter in guten und gerechten Händen befinden. Denn in letzter Zeit
     hat sich ein jeder Papst als schlimmer als ein Strauchdieb erwiesen. War’s kein Kretin, dann war’s ein Dieb, war’s kein Dieb,
     dann ein Lump, war’s kein Lump, dann ein Saufbold und Wollüstling. Und manchmal sogar alles zusammen. Bei allem guten Willen,
     den ich habe, auch wenn ich so fromm wäre wie ein Lämmlein, solch einem Hirten könnte ich nicht gehorchen, solch einen nicht
     als Oberhaupt der Kirche anerkennen, solch einen Alleinherrscher nicht akzeptieren, selbst wenn er mir hundert Konstantinische
     Schenkungsurkunden unter die Nase hält. Meister Jan Hus hat gelehrt, dass kein Papst ein wahrer Nachfolger des Apostels Petrus
     sein kann, der nach Sitten lebt, die denen des Petrus entgegenstehen. Solch ein Papst ist kein Vikar Gottes, sondern ein Judas
     Ischariot. Anstatt solch einem Gehör zu schenken, sollte man ihn besser am Genick packen und die Kanzel hinunterwerfen, ihm
     die Privilegien nehmen und sein Vermögen einziehen! Und zwar beim Vatikan angefangen bis hinunter zu jeder Landpfarre.«
    »Du sagst, Bruder Wyszek, die
Curia Romana
würde die Böhmen gerne wie den verlorenen Sohn mit Vergebung begrüßen und sie wieder in den Kreis der europäischen Christenheit
     aufnehmen? Das würden sie auch gerne. Aber zuerst müssen sie ihre Sitten und ihren Glauben ändern. In den echten. In einen
     solchen, wie Christus ihn lehrte. Wie ihn Petrus bekannte. |135| Wie Meister Wyclif und Meister Hus ihn lehrten. Denn der wahre Glaube, der echte apostolische Glaube, der mit dem Buchstaben
     der Bibel übereinstimmt, das ist der, zu dem wir uns bekennen, wir, die rechtgläubigen Böhmen. Will uns die europäische
christianitas
in ihrem Schoß? Dann soll sie diesen Schoß erst säubern.«
    »Es gibt solche Leute wie Petr Chelčický und Nikolaus von Pelhrimov. Wie dein großer Landsmann Paweł Włodkowic, der die Freiheit
     des Gewissens verteidigte. So Gott will, wendet sich die römische Kirche, wenn sie ihre Fehler einsieht, solchen Leuten zu.
     So Gott will, hört sie dann auf deren Lehren.«
    »Und wenn sie deren Lehren nicht hören will«, schloss Prokupek mit grimmigem Lächeln, »dann wird sie unsere Dreschflegel zu
     fühlen bekommen.«
    Das Schweigen dauerte lange. Wyszek Raczyňski brach es schließlich.
    »All das«, er fragte nicht, sondern stellte fest, »soll ich

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