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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Niesen herüber, gefolgt von einem etwas leiseren Fluch und einem demütigen »Gott vergib’s«. Der Eisenäugige
     fluchte ebenfalls. Aber das »Gott vergib’s« schenkte er sich. Er tastete nach einem kleinen Geldbeutel in seinem Mantel, denn
     es sah ganz danach aus, als ginge es ohne Bestechung nicht ab.
    Der Herankommende erwies sich als verkrümmtes Pfäfflein in einer verschlissenen Kutte, wohl der Beichtiger, denn er trippelte
     geradewegs auf den Beichtstuhl zu. Beim Anblick des eisenäugigen Priesters blieb er wie versteinert stehen und öffnete den
     Mund.
    »Gelobt sei Jesus Christus«, grüßte der Eisenäugige und ließ sein einnehmendstes Lächeln auf dem Gesicht erscheinen. »Seid
     gegrüßt, Pater. Ich habe an Euch   ...«
    Er verstummte.
    »Bruder   ...« Das Antlitz des Beichtigers wurde plötzlich weich, Verwunderung und Unglaube wechselten sich darin ab. »Bruder Markus!
     Du bist es? Du! Du bist gerettet! Hast überlebt! Ich traue meinen Augen nicht!«
    »Und du tust auch recht daran«, antwortete der Priester mit |162| den eisenfarbenen Augen kaltblütig. »Du befindest dich in einem Irrtum, Pater. Ich heiße Kneufel. Pater Johann Kneufel.«
    »Ich bin Bruder Kajetan. Erkennst du mich nicht?«
    »Nein.«
    »Aber ich erkenne dich!« Der alte Beichtiger faltete die Hände. »Haben wir doch vier Jahre gemeinsam im Kloster von Chrudim
     verbracht. Jeden Tag haben wir in derselben Kirche gebetet und im selben Refektorium gegessen. Tagtäglich sind wir uns im
     Kreuzgang begegnet. Bis zu jenem schrecklichen Tag, als die Horden der Häretiker vor dem Kloster auftauchten   ...«
    »Du musst mich mit jemandem verwechseln.«
    Der Beichtiger schwieg eine Weile. Dann erhellte sich seine Miene, und ein Lächeln umspielte seine Lippen.
    »Jetzt verstehe ich!«, erklärte er. »Du willst unerkannt bleiben! Du fürchtest die Diener des Teufels, deren rächender Arm
     lang ist. Das musst du nicht, Bruder, das musst du nicht! Ich weiß nicht, welche Wege dich hierher geführt haben, du Wanderer
     Gottes, aber hier bist du inmitten der Deinen. Unser sind hier viele, eine ganze Gruppe, eine ganze
communitas
aus armen Flüchtlingen, Exilanten, vertrieben aus der Heimat, verjagt aus den geplünderten Klöstern und geschändeten Sanktuarien.
     Hier ist Bruder Heliodor, der mit knapper Not aus Komotau entkommen ist, hier ist Abt Wetzhausen aus Kladrau, hier sind Flüchtlinge
     aus Strahov, aus Jarmirn und aus Břevnov. Der Herr über dieses Gebiet, ein edler und gottesfürchtiger Mann, ist uns gewogen.
     Er erlaubt uns, hier eine Schule zu führen, Predigten über die Verbrechen der Ketzer zu halten   ... Er schützt und verteidigt uns. Ich weiß, was du durchgemacht hast, Bruder, ich verstehe, dass du dich nicht zu erkennen
     geben willst. Wenn es dein Wille ist, werde ich das Geheimnis für mich behalten. Ich werde kein Wort sagen. Wenn du weiterziehen
     willst, sage ich keinem, dass ich dich gesehen habe.«
    Der eisenäugige Priester sah ihn lange Zeit an.
    »Ganz sicher wirst du nichts sagen«, sagte er schließlich.
    |163| Es war eine blitzschnelle Bewegung, der Schlag wurde mit ganzer Kraft aus der Schulter heraus geführt. Die mit einem mit Spitzen
     versehenen Schlagring bewaffnete Hand traf punktgenau den Adamsapfel des Beichtigers und trieb ihn tief in den zerschmetterten
     Kehlkopf und die zerstörte Luftröhre hinein. Bruder Kajetan röchelte, griff sich an den Hals, und die Augen quollen ihm aus
     den Höhlen. Er hatte das Massaker, das Žižkas Taboriten im Dominikanerkloster von Chrudim im April 1421 angerichtet hatten,
     überlebt. Aber diesen Schlag konnte er nicht überleben.
    Die heilige Katharina und die pausbäckigen Engelchen sahen gleichgültig seinem Sterben zu.
    Der Priester mit den eisenfarbenen Augen löste den Schlagring von seinen Fingern, bückte sich, ergriff den Leichnam an der
     Kutte und schleifte ihn hinter den Beichtstuhl. Dann setzte er sich auf die Bank und verbarg sein Gesicht unter der Kapuze.
     Er saß da, in völliger Stille, umgeben nur vom Duft des Weihrauchs und der Kerzen. Er wartete.
    Um die Mittagsstunde sollte hier, in die Pfarrkirche ihrer Namenspatronin, Katharina von Biberstein, die Tochter von Johann
     von Biberstein, dem Herrn auf Stolz, zusammen mit ihrem Kind zur Beichte kommen. Der Eisenäugige war neugierig auf die sündigen
     Gedanken der Katharina von Biberstein. Auf ihre sündigen Handlungen. Und auf ganz bestimmte sündige Ereignisse in ihrem

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