Gottesstreiter
bisherigen
Leben.
In der Stadt Schweidnitz lockten am Sonntag, dem zwanzigsten Oktober, kurz nach dem Hochamt Gesang und Lautenspiel die Fußgänger
zu einem Töpferstand in die Kupferschmiedgasse, der sich neben einem zur Synagoge führenden Durchschlupf befand. Ein nicht
mehr ganz junger Goliarde mit roter Kapuze und einem Wams mit gezacktem Saum stand auf einem Fass, strich über die Saiten
und sang:
|164|
Den Bischöfen an nichts es fehlt,
Sie haben Säcke voll mit Geld.
Allein am Glauben es ihnen gebricht,
Herr, lehre sie endlich den Geldverzicht.
Mit jeder Strophe vergrößerte sich die Zahl der Zuhörer. Die Menge, die den Goliarden umringte, wuchs stetig und drängte sich
immer enger heran. Es gab tatsächlich auch solche, die sich eilig entfernten, als sie merkten, dass das Goliardenlied nicht
von fleischlicher Liebe handelte, wie sie wohl gehofft hatten, sondern von der in letzter Zeit so gefährlich gewordenen Politik.
Ganz wie bei Hofe leben Kaplane,
Kanoniker und auch Dekane.
Geht’s in der Kirch ’ recht höfisch zu,
Haben vor Gottesdiensten sie Ruh ’.
»Das stimmt, das stimmt! Das ist richtig!«, hörte man einige aus der Menge rufen. Und gleich darauf entbrannte ein Disput.
Die einen übten scharfe Kritik am Klerus und an Rom, die anderen, die Gegner, verteidigten den Klerus und Rom, wobei sie scharfsinnig
bemerkten, wenn schon nicht Rom, was dann? Und der Goliarde packte die Gelegenheit beim Schopf und machte sich heimlich davon.
Er bog in die Arkaden der Hopfengasse ab, tauchte dann in die Schlossgasse ein und wandte sich den Befestigungswällen am Burgtor
zu. Kurz darauf erblickte er auch schon den Ausleger des Kellers »Zum roten Greifen«, das Ziel seines Weges.
»Schön hast du gesungen, Tybald«, hörte er eine Stimme hinter seinem Rücken sagen. Der Goliarde lüpfte die Kapuze und blickte
herausfordernd in zwei eisengraue Augen.
»Zwei Stunden habe ich nach der Messe am Pfarramt auf Euch gewartet«, sagte er vorwurfsvoll. »Ihr wart nicht geneigt, Euch
zu zeigen.«
|165| »Schön hast du gesungen«, der Eisenäugige, heute im Bettelmönchsgewand der Minoriten, hielt es weder für angebracht, Erklärungen
abzugeben, noch, sich zu entschuldigen. »Wirklich schön. Aber ein wenig gefährlich. Hast du keine Angst, dass sie dich wieder
in den Turm werfen?«
»Erstens«, Tybald Raabe kräuselte die Lippen, »
pictoribus atque poetis quidlibet audendi semper fuit aequa potestas.
Zweitens, wie soll ich sonst für unsere Sache arbeiten? Ich bin kein Spion, der sich im Dunkeln oder unter einer Verkleidung
verbirgt. Ich bin ein Agitator, meine Aufgabe ist es, mich unters Volk zu mischen ...«
»Schon gut, schon gut. Was für Informationen hast du?«
»Setzen wir uns hier irgendwo hin.«
»Muss es hier sein?«
»Das Bier hier ist vorzüglich.«
»Die schwarzen Reiter, nach denen Ihr gefragt habt«, berichtete der Goliarde, sobald sie am Tisch saßen, »sind hier in Schlesien
oftmals gesehen worden. Besonders, und das ist interessant, sowohl in der Nähe von Strehlen, als dort Herr Bart getötet wurde,
wie auch in der Gegend von Zobten am Berge, als dort Herr Czambor von Heißenstein ums Leben gekommen ist. Bei Strehlen hat
sie ein dümmlicher Hirte gesehen, bei Zobten ein betrunkener Organist; wie sich leicht denken lässt, hat man keinem der beiden
geglaubt. Für verlässlicher halte ich da schon die Pferdeknechte und Stallburschen von Frau Dzier żka de Wirsing, der Pferdehändlerin,
deren Zug von Rittern in schwarzen Rüstungen bei Frankenstein überfallen und auseinander gesprengt wurde. Dafür gibt es viele
Zeugen. Interessante Dinge haben auch die Inquisitionsknechte erzählt ...«
»Du hast die Inquisitionsknechte befragt?«
»Was denkt Ihr denn? Ich doch nicht. Meine Gewährsleute. Die Knechte haben ausgeplaudert, dass der päpstliche Inquisitor,
der hochwürdige Gregor Hejncze, seit wenigstens zwei Jahren intensive Nachforschungen nach irgendwelchen dämonischen |166| Reitern betreibt, die auf schwarzen Pferden Schlesien unsicher machen. Man hat ihnen sogar Namen gegeben: die Todesrotte oder
die biblische Rotte oder die Mittagsdämonen. Man nennt sie auch ... die Rächer. Aber nur, wenn es der Inquisitor nicht hört. Denn es ist schon lange klar, dass diese Todesrotte Leute umbringt,
die im Verdacht stehen, es mit den Hussiten zu halten, mit ihnen Handel zu treiben, ihnen Lebensmittel, Waffen, Pulver und
Weitere Kostenlose Bücher