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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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vierhundert Pikarden, die im nahen Přiběnice ihre eigene Wagenburg errichtet hatten, verließen den
     Berg   ...«
    »Worüber sprecht ihr?«, erkundigte sich Amadeus Bata, der |218| mit der übertrieben fröhlichen Miene eines Mannes, der eben gründlich ausgenommen wurde, vom Spieltisch zurückkehrte.
    »Von den Pikarden.«
    »Ach? Von den Nackedeis? He, he   ... Ich verstehe   ...«
    »Húska-Loquis war nicht mehr unter den Vertriebenen von Přiběnice, die führte jetzt der Prediger Petr Kániš an. Und seine
     Kameraden Jan Bydlin, Nikolaus der Blinde, Třaček und Burian. Die verkündeten die Auflösung aller Familienbande und erklärten
     alle Ehen für nichtig. Sie waren der Ansicht, sie seien frei von Sünde, wie Adam und Eva, und da unter Sündenfreien auch keine
     Scham herrscht, warfen sie ihre Kleider von sich und stolzierten nackt umher, im Adamskostüm – daher stammt die Bezeichnung
     ›Adamiten‹, die immer häufiger mit ihnen in Verbindung gebracht wurde. Begeistert begannen sie sich allgemeinen Orgien hinzugeben.
     Zwischen ihren Anführern und Kaplänen kam es aber bald darauf zu Auseinandersetzungen und zum Bruch – es ging dabei, wie es
     scheint, weniger um religiöse Prinzipien, sondern eher um die Aufteilung des Harems. Einige Anführer setzten sich ab und nahmen
     ihre Anhänger und Herden von Weiblein mit sich. Der Mehrzahl der Weiblein gefiel es übrigens in den pikardischen Kommunen,
     in denen die vollständige Gleichberechtigung der Geschlechter verkündet wurde, recht gut. Diese sollte so aussehen, dass jedes
     Weiblein Unzucht treiben und seiner Lust freien Lauf lassen konnte, wo und mit wem auch immer. Aber diese Freiheit war im
     Grunde keine, denn die Rolle der Hähne auf diesen Hühnerhöfen fiel Kániš und den anderen Kaplänen zu. Die Weiblein waren jedoch
     derart fasziniert und so ganz erfüllt von der promiskuitiven Mystik, dass sie sich darum rissen, einem der ›heiligen Männer‹
     zu dienen. Sie hielten es für ein Privileg, die Beine breit zu machen für den angeblich religiösen Dienst, ja sogar für eine
     Gnade, wenn sich so ein ›Heiliger‹ in seiner unendlichen Güte herabließ, das ihm entgegengestreckte Hinterteil zu würdigen.«
    »Tja, so sind die Weiber«, warf Amadeus Bata philosophisch |219| ein, während er das Hinterteil eines der Mädchen, die am Spieltisch bedienten, von oben bis unten betrachtete, »voller Geilheit.
     Unersättlich in der Fleischeslust. Schon seit die Welt besteht, so war es, und so wird es immer sein,
in saecula saeculorum   ...
«
    »Ihr redet wie immer über die Weiber?« Scharley, den das Spiel offensichtlich langweilte, gesellte sich zu ihnen.
    »Ich erteile deinem Kumpan eine kurze Geschichtslektion«, beschied ihn Berengar Tauler kurz und bündig, um ihn am Weiterreden
     zu hindern.
    »Da höre ich doch gerne zu.«
    »Žižka waren die Pikarden nach wie vor ein Dorn im Auge.« Tauler räusperte sich. »Gegen die Hussiten in Böhmen wurden Kreuzzüge
     organisiert, die katholische Propaganda bauschte die pikardische Sektiererei ordentlich auf, die Adamiten waren für sie geradezu
     ein Geschenk. Plötzlich glaubte man in ganz Europa, dass alle Böhmen, einer wie der andere, nackt umherliefen und im Namen
     der Lehre von Jan Hus ständig vögelten. Angesichts der Bedrohung durch die Kreuzzüge konnte jegliches Chaos in den eigenen
     Reihen zur Gefahr werden, und die Pikarden hatten, was soll man da lange darum herumreden, in Tábor immer noch Anhänger. Ende
     März 1421 überfiel Žižka die Kommune von Kániš. Die meisten Sektierer wurden umgebracht, andere, ein paar Dutzend Leute, darunter
     auch Kániš, gefangen genommen. Alle Gefangenen wurden bei lebendigem Leibe verbrannt. Das ist im Dorf Klokoty geschehen, am
     Dienstag vor dem Festtag des heiligen Georg. Der Ort war nicht zufällig gewählt. Klokoty liegt gleich neben Tábor, die Hinrichtung
     konnte man von den Mauern der Festung aus gut beobachten. Žižka hatte Tábor eine ernste Warnung erteilt   ...«
    Er verstummte und blickte in die Ecke zu Samson Honig.
    »Der schnitzt vielleicht an seinem Stock, dass die Späne nur so fliegen«, seufzte er. »Ist das nicht gefährlich, einem Idioten
     ein Messer zu geben? Am Ende schneidet der sich noch die Hand ab?«
    |220| »Keine Angst«, Reynevan war solche Fragen gewohnt, »er ist, anders als es scheint, außerordentlich vorsichtig. Fahre fort,
     Bruder Berengar. Was geschah weiter?«
    »Nacheinander wurden

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