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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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alle Sektierer aufgerieben, bis nur noch eine Gruppe übrig war, Burians Kommune. Die versteckte sich
     in den Wäldern am Fluss Nežárka. Das war eine schreckliche Bande, die Radikalsten der Radikalen, absolut fanatisch und überzeugt
     von ihrer göttlichen Sendung. Sie hatten begonnen, die umliegenden Dörfer und Siedlungen zu überfallen, angeblich, um sie
     zu ›bekehren‹. In Wirklichkeit mordeten, raubten, brandschatzten und quälten sie und ließen sich zu unbeschreiblichen Bestialitäten
     hinreißen. Sie fürchteten nichts und niemanden. Burian, ihr Anführer, der, wie übrigens zuvor Kániš, offiziell ›Jesus‹ und
     ›Sohn Gottes‹ genannt wurde, hatte ihnen versichert, sie seien unangreifbar und unsterblich, keine Klinge könne sie verwunden,
     keine Waffe sie töten. Er hatte sich mit einem Harem von etwa zwei Dutzend Frauen und Mädchen umgeben. Schließlich ging er
     so weit, dass   ...«
    »Na?«
    »Er begann, die Kommunion   ... durch   ... Hmm   ... durch
fellatio
zu erteilen. Ein tolles Sakrament, nicht? Aber das Ende dieses pikardischen
intermezzos
war nahe, Žižka kreiste schon wie ein Falke über ihnen. Im Oktober hatte er sie erspäht und angegriffen. Alle wurden auf dem
     Scheiterhaufen verbrannt. Die Hälfte davon waren Frauen, die meisten von ihnen schwanger. Ihnen wurde eine Gunst zuteil: Die
     Adamiten wurden vor dem Verbrennen schrecklich gefoltert, die Adamitinnen ohne vorherige Folter verbrannt.«
    »Alle?«
    »Ach woher denn!«, warf Amadeus Bata mit lüsternem Lächeln ein.
    »Einige verschonte man.« Berengar Tauler nickte. »Unter strengster Geheimhaltung, sorgfältig vor Žižka verborgen. Von der
     sexuellen Freizügigkeit der Adamiten wurde seinerzeit viel |221| geredet. Die Adamitinnen, so das Gerücht, zögen sich gerne nackt aus, und was die Lust anbelange, würden sie Orgien geradezu
     lieben, besonders in Gruppen, nichts bereite ihnen größere Freude, als dieses Vergnügen in Gruppen zu genießen, mehrere Männer
     mit einer Frau. Ha, wenn die das so mögen   ...«
    »Du musst nicht«, Reynevan biss die Zähne zusammen, »du musst nicht weitererzählen.«
    »Doch, das muss ich. Denn eine von denen, die übrig geblieben sind, die Letzte, die noch lebt, bringt gerade den Krug hierher.«
    »Marketka«, bestätigte Amadeus Bata. »Die Lieblingsfrau des Adamiten Burian, seine Favoritin. Hunzleder hat sie den taboritischen
     Brüdern abgekauft, als die ihrer überdrüssig wurden. Jetzt ist sie seine Sklavin. Sein Eigentum. Mit Haut und Haaren. Bis
     zum Tod.«
    »Als sie der Kommune beigetreten ist, hat sie alle Brücken hinter sich abgebrochen.« Tauler bemerkte Reynevans verwunderte
     Miene. »Es gibt kein Zurück mehr. Die Sektierer haben ihre Familien aufgegeben   ...«
    »Und die Jagd auf die Pikarden hält immer noch an«, warf Scharley scheinbar teilnahmslos hin. »Fast jeden Tag entlarven sie
     jemanden und verbrennen ihn, und vor dem Feuertod setzen sie ihn der Folter aus. Das Mädchen muss tun, was Hunzleder ihm befiehlt,
     es ist ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und nur dank seiner lebt sie noch.«
    »Lebt?« Reynevan wandte sich ab. Niemand antwortete ihm.
    Das Marketka genannte rothaarige Mädchen füllte die Becher. Diesmal betrachtete Reynevan sie aufmerksamer. Und diesmal hob
     sie beim Einschenken die Augen. In ihrem Blick lag nicht das, was er erwartet hatte – Schmerz, Scham, Erniedrigung und die
     ängstliche Unterwürfigkeit einer Sklavin. Die Augen des rothaarigen Mädchens waren leblos, erfüllt von ungeheurer Gleichgültigkeit.
    |222| Aus den Augenwinkeln betrachtete er etwas, was ihn noch viel mehr verwunderte.
    Samson Honig hatte aufgehört, sein Stöckchen zu schneiden.
    »Na, ihr lieben Herren und Brüder«, Hunzleder erhob sich vom Tisch. »Jetzt ist es wohl an der Zeit, dass wir uns von unseren
     Strapazen ein wenig erholen. Diener, schiebt die Bänke zurecht! Beweg dich, Jeřabek! Ihr Mädchen dort, los, Wein holen und
     herbringen! Euch aber, liebe Gäste, möchte ich daran erinnern, dass dies keine Gratisvorstellung ist. Wer einen Gulden oder
     einen ungarischen Dukaten entbehren kann, der möge seine Augen erfreuen. Oder wer den Gegenwert dazu erübrigen kann, nämlich
     dreißig gute Groschen. Wer hier nicht geizt, wird es nicht bereuen! Das Schauspiel ist sogar zehn Dukaten wert, dafür bürge
     ich!«
    Kurz darauf saßen alle im improvisierten Zuschauerraum, vor sich den Eichentisch, an dem noch bis vor kurzem gespielt

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