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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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anging, war Eva Karin jedoch großzügig gewesen.
    Sie sprach offen über Fehler und Torheiten, die sie begangen hatte. Sie hatte eine gewaltige Achtung vor dem Leben, auch wenn es wilde Sprünge machte. Ihr inniger Glaube an Jesus grenzte ans Fanatische, ging aber nie zu weit. Als sie vor einigen Jahren für ein kleines Vermögen das seltsame Messiasporträt gekauft hatte, das jetzt am Nubbebakken an der Wohnzimmerwand hing, war sie vor Freude außer sich gewesen. Es war ein Entwurf zu einem Altarbild für eine Kirche irgendwo in Ostnorwegen, aber Eva Karin hatte gesagt, nur auf dieser Skizze habe der Künstler dem Erlöser eisblaue Augen gegeben. Zweimal glaubte Astrid, die Schwiegermutter im Gespräch mit dem blonden Jesus mit den kurzen Struwwelhaaren überrascht zu haben. Eva Karin hatte ein wenig über sich gelacht, die Situation dann aber mit einer Bemerkung über das Wetter entschärft.
    Wenn Astrid das richtig verstanden hatte, war Jesus in Wirklichkeit braunäugig und langhaarig gewesen.
    Jesus sei  Vergebung, hatte die Schwiegermutter immer gesagt.
    Für Jesus ist jegliches Leben heilig.
    Ein Kind geheim zu halten wäre eine Beleidigung für das Leben. Wenn es eine zur Adoption freigegebene Tochter gäbe, würden sie doch nur ein Babybild von ihr haben.
    Lukas war nicht er selbst. Normalerweise nahm er ihr alles ab, wenn die Welt kompliziert für sie wurde. Jetzt war sie an der Reihe. Sie musste das tun, was für ihn richtig wäre.
    Sie ging mit der Tasse in die Küche und stellte sie in die Spülmaschine.
    Wenn sie wartete, würde sie sich die Sache vielleicht anders überlegen. Als sie zum Telefon griff, sah sie, dass ihre Hände zitterten. Stubøs Nummer stand noch als Erste in der Liste der eingegangenen Anrufe.
    »Hallo«, sagte sie leise, als er sich nach nur einem Klingelton meldete. »Hier ist Astrid, die Frau von Lukas. Ich glaube, Sie sollten sofort herkommen.«
    »Du wolltest doch sofort Bescheid sagen!«
    Rolf war ungewöhnlich gereizt. Im Hintergrund konnte Marcus einen jämmerlich winselnden Hund hören, eine Frauenstimme versuchte, das Tier zu beruhigen.
    »Ich habe es vergessen«, sagte Marcus müde. »Wir wollten essen gehen, und ich habe es einfach vergessen.«
    »Wenn die Polizei mich in einer schwerwiegenden Strafsache um Rückruf bittet, dann gerate ich in verdammt schlechtes Licht, wenn ich mich nicht melde.«
    »Das ist klar, Rolf. Wie gesagt, es tut mir leid.«
    »Das reicht einfach nicht. Was ist eigentlich im Moment mit dir los?«
    Rolfs Stimme hatte einen aggressiven Unterton, den Marcus noch nie gehört hatte. Er holte tief Luft und wollte zu einer weiteren Entschuldigung ansetzen, als Rolf ihm zuvorkam: »Du bist zerstreut, wortkarg, reizbar. Du vergisst noch die normalsten Dinge. Gestern hast du für Cusi nicht mal die Schulbrote geschmiert, obwohl du an der Reihe warst. Ich habe es durch einen Zufall entdeckt und in aller Eile noch erledigen können.«
    »Ich bedauere das alles. Es gibt … viel zu tun. Du weißt, die Finanzkrise und …«
    Marcus hörte am anderen Ende der Leitung eilige Schritte.
    »Warte«, fauchte Rolf. »Ich geh nur nach nebenan.«
    »Vor noch nicht drei Wochen hast du dich wegen der Finanzkrise glücklich gepriesen, Marcus«, sagte Rolf endlich, noch immer wütend. »Du hast gesagt, du seist der Einzige in deiner Bekanntschaft, den die Finanzkrise nicht anfechte. Du hast gesagt, die Firma könne die Anker lichten, verdammt.«
    »Aber du weißt, dass …«
    »Ich weiß nichts, Marcus! Ich habe keine Ahnung, warum du nachts nicht schlafen kannst. Ich habe keine Ahnung, warum du so ungeduldig bist. Nicht nur bei mir, sondern auch bei Cusi und deiner Mutter und …«
    »Tut mir leid, hab ich gesagt.«
    Jetzt wurde auch Marcus lauter. Er stand auf und ging ans Fenster. Die Sonne hing rotorange und tief am Himmel. Der Schiffsverkehr hatte kreuz und quer durch das Eis auf dem Fjord seine Fahrrinnen gezogen. Das Hafenbecken vor ihm war von verdrecktem Eismatsch bedeckt. Die Fähre nach Nesodden legte gerade an, und ein paar Menschen strömten fröstelnd in den eiskalten Nachmittag hinaus.
    »So geht das nicht länger«, sagte Rolf resigniert. »Du bist fast die ganze Zeit im Büro. Es kann doch nicht nötig sein, dass du …«
    Er hatte recht.
    Marcus war immer stolz darauf gewesen, sich an die üblichen Bürozeiten zu halten. Seine Philosophie sagte, wenn man seine Arbeit nicht zwischen acht und vier erledigen könnte, dann habe man

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