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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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aber als seine Mutter zufällig erwähnt hatte, sein alter Kumpel sei tot und heute finde die Beisetzung statt, hatte er ihm doch die letzte Ehre erweisen wollen.
    Fast niemand sang.
    Er selbst brachte es nicht einmal über sich, die Lippen zu bewegen, wie es seinem Gefühl nach die beiden Männer drei Bänke weiter schräg vor ihm taten. Jedenfalls eine Zeit lang.
    Nur eine einzige Frau war anwesend, und sie wirkte nicht gerade gramgebeugt. Sie hatte sich auch nicht die Mühe gemacht, in ihrem Kleiderschrank nach etwas Schwarzem zu suchen. Ihr Kostüm war durchaus elegant, aber Rot war nun einmal nicht die richtige Farbe für eine Beisetzung. Sie saß einfach da, weiter vorn, und schien sich zu langweilen.
    Die Musik verstummte. Der Pastor betrat die am Mittelgang gelegene Kanzel. Sie sah eher aus wie ein überdimensionaler Barhocker, der jeden Moment umkippen könnte.
    Die beiden Männer vor Petter begannen zu flüstern.
    Zuerst ärgerte er sich. Es gehörte sich einfach nicht, während einer Predigt zu tuscheln. Vielleicht war es ja auch keine Predigt, aber zumindest hatte man die Klappe zu halten, wenn der Pastor sprach.
    »… mehrere Kunstwerke gefunden … Weder Kinder noch Geschwister …«
    Petter Just konnte Bruchstücke des Gesprächs hören. Ohne es eigentlich zu wollen, konzentrierte er sich auf die beiden Männer.
    »… im Atelier … Keine Erben …«
    Der Geistliche gab den Anwesenden ein Zeichen, sich zu erheben. Die beiden Männer waren so in ihr Gespräch vertieft, dass sie erst reagierten, als alle anderen standen. Für kurze Zeit hielten sie die Klappe, dann tuschelten sie wieder los.
    » … viele kleinere Installationen … Zeichnungen … ein letztes Meisterwerk … offenbar wusste niemand, dass …«
    Die beiden Ärsche würden noch die gesamte Trauerfeier ruinieren. Petter Just sprang auf und beugte sich über die Bankreihen vor ihm. »Fresse halten, verdammt noch mal«, fauchte er. »Haben Sie wenigstens ein bisschen Respekt.«
    Die beiden Männer drehten sich überrascht zu ihm um. Der eine war um die fünfzig, hatte schüttere Haare, eine schmale Brille und dicke Backen. Der andere war etwas jünger.
    »Verzeihung«, sagte der Ältere, und beide lächelten, als sie sich wieder nach vorn drehten.
    Sicher hatte er ihnen einen ordentlichen Schrecken eingejagt, denn für den Rest der Zeremonie sagten sie kein Wort mehr. Diese dauerte übrigens nicht lange. Außer dem Pastor ergriff niemand das Wort. Nicht wie vor zwei Jahren, als Lasse, der Dritte im Bunde der Jungen, die in den Achtzigerjahren in Godlia herumgetobt waren, bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Da hatte die Beisetzung in der großen Kapelle nebenan stattgefunden, und auch die hatte nicht für alle Platz gehabt. Es hatte acht Reden gegeben, und eine Band hatte » Imagine « gespielt. Ein Blumenmeer und wahre Tränenströme.
    Hier weinte niemand, und auf dem Sarg lag nur ein einziger Kranz.
    Er hätte sich schon lange einmal bei Niclas melden sollen. Wären da nicht die Dinge gewesen, die er lieber vergessen wollte und die ihm eigentlich überhaupt nicht ähnlich sahen, dann hätte er die Freundschaft am Leben erhalten.
    Plötzlich wollte er nicht mehr dort sein. Ehe das letzte Musikstück verklang, erhob er sich. Er schob den alten kurzsichtigen Mann beiseite und riss die schwere Holztür auf.
    Es schneite jetzt wieder.
    Er fing an zu laufen, ohne so recht zu wissen, was er unbedingt erreichen wollte.
    Oder wovor er wegrannte.
    »Mal weg von dem Thema«, sagte Sigmund Berli, dann streifte er die Schuhe ab und legte die Füße auf den kleinen Tisch zwischen den zwei Sesseln in Yngvars Hotelzimmer. »Ich hab mir eine Freundin zugelegt.«
    Yngvar hielt sich die Nase zu, schnitt eine Grimasse und richtete den Zeigefinger auf die Füße des Kollegen. »Meinen Glückwunsch«, sagte er und kicherte hinter seiner Faust. »Aber nimm diese Socken weg, Mann! Zieh wieder die Schuhe an.«
    »Die Frau hat sich jedenfalls noch nicht beklagt. Lachst du oder was?«
    »Was ist das denn für eine Frau?«, fragte Yngvar und setzte sich aufs Bett, so weit weg von Sigmund Berli wie überhaupt nur möglich. »Und wie lange geht das schon?«
    »Herdis«, sagte Sigmund eifrig. »Sie ist … Herdis ist … rat mal! Rat mal, was sie von Beruf macht!«
    »Keine Ahnung«, sagte Yngvar. »Bietest du mir jetzt etwas zu trinken an oder nicht?« Sigmund zog eine Plastikflasche mit Whisky aus seiner Jackentasche. Er nahm eins der Gläser,

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