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Gotteszahl

Gotteszahl

Titel: Gotteszahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Holt
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hatten, dann bestand jeder Grund zu der Annahme, dass ihr Hass heftiger loderte als alles, wovon sie in den vergangenen Monaten gelesen hatte.
    Inger Johanne musste die letzte Zeile noch einmal lesen.
    … und erhielten den gebührenden Lohn für ihre Verirrung.
    Sie schauderte und griff nach dem Ausdruck der Mail.
    Die Zahl 19.
    Der arabisch klingende Name Rashad Khalifa.
    Ihre Finger hackten auf die Tastatur ein.
    4400 Treffer bei Google.
    »Huhu, Mama. Jetzt will ich Brei.«
    Ragnhild lief barfuß auf sie zu. Inger Johanne konnte den Laptop gerade noch auf den Couchtisch stellen, ehe ihre Tochter sich in ihre Arme warf.
    »Heute geh ich nicht in den Kindergarten«, lachte die Kleine. »Heute machen du und ich einen Teddytag.«
    Inger Johanne schob die Tochter vorsichtig ein Stück von sich weg, um ihr in die Augen sehen zu können, dann sagte sie: » Nein, Herzchen. Heute gehst du in den Kindergarten. Heute ist Montag.«
    »Teddytag«, erklärte Ragnhild trotzig und schob die Unterlippe vor.
    »Ein andermal, Liebes. Mama muss heute arbeiten. Und du gehst in den Kindergarten. Weißt du nicht mehr, dass ihr im Solemskog Ski laufen wollt? Und überm Feuer Würstchen braten? «
    Das mürrische Kindergesicht öffnete sich zu einem strahlenden Lächeln. »Doch! Und wie viele Tage sind das jetzt bis zu meinem Geburtstag?«
    »Neun Tage. Nur noch neun Tage, dann bist du fünf Jahre alt.«
    Ragnhild lachte glücklich. »Dann will ich den schönsten Geburtstag auf der ganzen Welt mit Sahne.«
    »Und weil du so groß bist, kochen wir uns gleich Haferbrei. Aber zuerst gehen wir unter die Dusche.«
    »Von mir aus«, antwortete die Kleine und hüpfte wie ein Kaninchen auf das Badezimmer zu.
    Inger Johanne lächelte bei diesem Anblick. Es war ein wunderschönes Wochenende gewesen, und sie wollte eine Stunde allein mit ihrer jüngeren Tochter genießen, ehe sie sich ernsthaft an eine neue Woche machte.
    Wenn sie nur den Gedanken an die »The 25’ers« verdrängen könnte.
    Der Letzte, der die Tür zur kleinen Kapelle des Østre Krematoriums öffnete, war Petter Just. Er blieb für einen Moment stehen und fragte sich, ob er hier richtig sei. Es war drei Minuten vor zwölf, aber es waren höchstens zwei Dutzend Menschen zugegen. Petter Just, ein Klassenkamerad von Niclas Winter, hatte seinen alten Freund seit vielen Jahren nicht mehr gesehen. Er hatte mit großem Andrang gerechnet, denn Niclas war recht erfolgreich gewesen, wie er gelesen hatte. War von Museen und privaten Sammlungen eingekauft worden. Die Stadtteilzeitung hatte ein Jahr zuvor eine große Reportage über Niclas’ Atelier gedruckt, und Petter hatte den Eindruck gewonnen, der Mann stehe vor dem großen internationalen Durchbruch.
    Ein magerer älterer Mann mit einer Brille, die annehmen ließ, dass er fast blind war, drückte ihm ein zusammengefaltetes Stück Papier in die Hand. Ein Bild von Niclas zierte die Vorderseite, darunter standen in einer altmodischen Schrifttype die Daten von Geburt und Tod.
    Petter Just nahm das Faltblatt und setzte sich in die hinterste Bank.
    Die Glocke schlug viermal, dann setzte die Orgel ein.
    Die Kapelle war schlicht, fast karg. Schiefer auf den Böden, die Mauern braunbeige, auf den letzten zwei Metern zur Decke von strengen, rechteckigen Fenstern unterbrochen. Statt eines Altarbildes gab es ein Fresko, von dem Petter Just rein gar nichts begriff. Es erinnerte an ein altes Werbeplakat der Bauernpartei, mit Bäumen und Getreide, Bauern und Feldern und einem Pferd, das zu allem Überfluss auch noch aussah wie ein norwegisches Fjordpferd. So ein Tier hat es im Mittleren Osten jedenfalls noch nie gegeben, dachte er und versuchte, auf der mit fleckigem Stoff bezogenen Bank eine akzeptable Stellung zu finden.
    Er war wirklich der Meinung, Niclas sei berühmt gewesen. Nicht die Sorte von Promi natürlich, über die die Illustrierten berichten, aber doch bekannt in seinem Bereich. Ein echter Künstler, sozusagen. Petter hatte beschlossen, zur Beisetzung zu gehen, weil er früher einmal mit diesem Burschen zusammen viel Spaß gehabt hatte. Zeitweise wohl ein wenig zu viel Spaß, und zwar in jeder Hinsicht. Niclas war verrückt gewesen, was Drogen und Alkohol anging. Und mit wem er fickte, nahm er auch nicht so genau.
    Petter Just wurde bei diesem Gedanken rot.
    Er machte so etwas jedenfalls nicht mehr. Er war mit einer Frau zusammen, einer feinen Frau, und das erste Kind wurde im Juli erwartet. Eigentlich war er nie so gewesen wie Niclas,

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