Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Kirche verließ, schien die Gemeinde, ohne Ausnahme, von dem Geiste der Fröhlichkeit durchdrungen zu sein, den ihr Geistlicher ihr so angelegentlich zur Pflicht gemacht hatte. Die älteren Leute versammelten sich in Haufen auf dem Kirchhofe, grüßten sich und schüttelten einander die Hände; und die Kinder liefen umher, schrien Jul! Jul! und wiederholten einige rohe Reime, von denen der Geistliche, der sich zu uns gesellt hatte, uns versicherte, daß sie aus uralter Zeit herrührten. Die Dorfbewohner zogen die Hüte ab, als der Squire vorüber ging, wünschten ihm, mit jedem Zeichen von Herzlichkeit und Aufrichtigkeit, Glück zum Feste, und wurden von ihm nach der Halle eingeladen, dort etwas zu genießen, um sich gegen die Kälte zu schützen; und ich hörte mehrere Arme Segenswünsche über ihn aussprechen, welche mich überzeugten, daß der würdige alte Herr, bei allen seinen Vergnügungen, die wahre Weihnachtstugend der Mildthätigkeit nicht vergessen habe.
Auf unserm Heimwege schien sein Herz von wohlwollenden, freudigen Gefühlen überzufließen. Während wir auf einer Erhöhung gingen, von der man eine Art Aussicht hatte, gelangten die Töne ländlicher Fröhlichkeit dann und wann zu unseren Ohren; der Squire blieb einige Augenblicke stehen, und blickte mit einer Miene voll unaussprechlicher Güte umher. Die Schönheit des Tages war an sich schon hinreichend, Menschenliebe einzuflößen. Ungeachtet der Kälte des Morgens hatte die Sonne auf ihrer wolkenlosen Reise Kraft genug erlangt, die dünnen Schneedecken von allen südlichen Abhängen hinwegzuschmelzen, und das lebendige Grün zu enthüllen, welches, selbst mitten im Winter, eine englische Landschaft schmückt. Große Strecken lachenden Grüns stachen gegen die blendende Weiße der beschatteten Abhänge und Vertiefungen grell ab. Jeder geschützte Fleck, auf welchem die vollen Sonnenstrahlen verweilten, spendete einen silbernen Bach kalten und klaren Wassers, welcher durch das tropfende Gras schimmerte und leichte Dünste aufsteigen ließ, um den dünnen Nebel zu vermehren, der dicht über der Oberfläche der Erde hing. Es lag etwas wahrhaft Erheiterndes in diesem Triumph der Wärme und des Grüns über die frostige Herrschaft des Winters; es war, wie der Squire bemerkte, ein Sinnbild der weihnachtlichen Gastfreiheit, welche durch die Kälte der Förmlichkeit und Selbstsucht bricht, und alle Herzen erhebend aufthaut. Er deutete mit Vergnügen auf die Anzeichen eines guten Mahles, die der Rauch aus den Schornsteinen der behaglichen Pachterhäuser und der niedrigen, strohbedeckten Hütten sehen ließ. »Ich sehe es gern,« sagte er: »daß dieser Tag von Reichen und Armen gefeiert wird; es ist schon viel, wenigstens Einen Tag im Jahre zu haben, wo man sicher ist, willkommen zu sein, wohin man kommt, und die Welt gleichsam überall offen zu finden, und ich möchte beinahe mit dem armen Robin gleicher Meinung sein, wenn er jeden sauertöpfigen Feind dieses schönen Festes verwünscht:
Die gern das Weihnachtsfest vergessen,
Und lieber fort geschafft es seh’n,
Mögen bei Herzog Humphry essen,
Oder zum Freunde Ketch auch geh’n. [Fußnote: Mit Herzog Humphry essen, ist so viel als hungern. – Zum Freunde Ketch, d. h. zum Henker gehen. – Anm. des Uebers. ]
Der Squire fuhr fort, über den bedauernswerthen Verfall der Spiele und Vergnügungen zu klagen, welche sonst zu dieser Jahreszeit bei den niederen Ständen vorzugsweise geliebt, und von den höheren aufrecht erhalten worden, damals, als noch die alten Hallen, Schlösser und Herrenhäuser bei Tagesanbruch geöffnet wurden; als die Tische mit gepökeltem wilden Schweinfleisch und Rindfleisch und schäumenden Ale bedeckt waren; als die Harfe und das Lied den ganzen Tag ertönten, und Arme und Reiche gleich willkommen waren, und in das Haus kommen und sich lustig machen konnten. [Fußnote: »Ein englischer Edelmann ließ bei Anbruch des großen Tages. d. h. am Weihnachtsfeiertage Morgens, seine sämmtlichen Pächter und Nachbarn in seine Halle treten. Das starke Bier ward angezapft, und die Krüge gingen fleißig umher, mit geröstetem Brode, Zucker und Muskatennuß und gutem Cheshire-Käse. Der Hacking (große Wurst) muß bei Tagesanbruch gekocht sein; sonst müssen zwei junge Männer das Mädchen (d. h. die Köchin) bei den Armen nehmen, und mit ihr rund um den Markt und unser Steinkohlenfeuer laufen, bis sie sich ihrer Trägheit schämt.« – Anm. des Verf. ] »Unsere alten Spiele und örtlichen
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