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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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von Silber.
    Bardentöne mußten uns zu diesem Festmahle geleiten; denn der alte Harfner saß auf einem Stuhle neben dem Kamin, und bearbeitete sein Instrument mit ungleich größerer Kraft als Wohllaut. Niemals bot wohl eine Weihnachtstafel eine gemüthigere und erfreulichere Zusammenstellung von Gesichtern dar; diejenigen, welche nicht schön waren, waren wenigstens glücklich, und die Glückseligkeit verschönert solche nicht sehr begünstigten Gesichter ungemein. Ich halte eine alte englische Familie für eben so würdig, studirt zu werden, wie eine Sammlung von Holbeinischen Bildern oder Albrecht Dürerschen Kupferstichen. Man kann daraus viel für das Alterthum, viel für die Kenntniß der Gesichtszüge früherer Zeiten lernen. Vielleicht rührt dieß daher, weil die Leute beständig die Reihen alter Familienbilder vor sich haben, mit denen die Landsitze dieser Insel angefüllt sind; gewiß ist es, daß die sonderbaren alterthümlichen Züge in diesen alten Linien oft treulich fortgepflanzt werden, und ich habe eine alte Familiennase durch eine ganze Bildergallerie verfolgt, die legitim von einem Geschlecht auf das andere, fast von der Zeit der Eroberung Englands durch die Normannen, fortgepflanzt worden ist. Etwas derselben Art ließ sich auch in der würdigen Gesellschaft beobachten, welche ich um mich hatte. Mehrere ihrer Gesichter stammten augenscheinlich aus einer uralten Zeit her, und waren von den nachfolgenden Geschlechtern nur nachgeahmt worden; es war namentlich ein kleines Mädchen darunter, von gesetztem Wesen, mit einer gebogenen römischen Nase und einem altfränkischen Essig-Gesicht, – ein großer Liebling des Squire, da sie, wie er sagte, durch und durch eine Bracebridge, und das wahre Ebenbild eines seiner Ahnen sei, der am Hofe Heinrich’s des Achten eine Rolle gespielt hatte.
    Der Pfarrer hielt das Tischgebet, das aber kein kurzes, wie man es gemeinlich an diesen Tagen der Ungezwungenheit an die Gottheit richtet, sondern ein langes, verbindliches, wohlgesetztes, aus der alten Schule war. Nun entstand eine Pause, als ob man irgend etwas erwarte; als plötzlich der Haushofmeister mit einer Art von Geräusch in die Halle trat; ihm folgte auf jeder Seite ein Bedienter – mit einer großen Wachskerze, er selbst aber trug eine silberne Schüssel, auf welcher ein ungeheurer Schweinskopf, mit Rosmarin verziert und mit einer Citrone im Rachen lag, und die mit großer Förmlichkeit an das obere Ende der Tafel gesetzt wurde. In dem Augenblicke, wo dieser Aufzug erschien, schlug der Harfner einen Tusch an, worauf der junge Oxforder Student, auf einen von dem Squire erhaltenen Wink, mit einer Miene von höchst komischem Ernste, ein altes Lied absang, das folgendermaßen lautete:
Caput apri defero

Reddens laudes Domino.

Den Eberkopf, ich bringe ihn,
Mit Kränzen bunt, mit Rosmarin,
Und bitt’ euch, singt mit frohem Sinn
Qui estis in convivio.
    Es soll der Kopf vom wilden Schwein
Das seltenste im Lande sein.
Bedeckt kömmt er mit Laubwerk fein,
Wird aufgetragen
Cantico.

Caput apri defero
u. s. w.
    Der Küchenmeister sorgte schön,
Daß wir dem Herrn zu Ehre sehn
Dieß Mahl heut auf dem Tische stehn
In Reginensi atrio

Caput apri defero
u. s. w.
    Obgleich ich vorbereitet war, von mancher dieser kleinen Sonderbarkeiten Zeuge zu sein, da ich das seltsame Steckenpferd des Wirths kannte; so setzte mich doch, ich muß es gestehen, der Pomp, womit ein so ungewöhnliches Gericht aufgetragen wurde, in nicht geringe Verwunderung, bis ich aus einer Unterhaltung mit dem Squire und dem Pfarrer erfuhr, daß dieß das Auftragen des Eberkopfes vorstellen solle; eines Gerichts, das in früheren Zeiten mit großer Feierlichkeit und mit Sang und Klang auf den Tafeln der Großen am Weihnachtsfeiertage aufgesetzt wurde. »Ich liebe die alte Sitte,« sagte der Squire, »nicht bloß, weil sie an und für sich feierlich und angenehm ist, sondern weil man sie in dem College zu Oxford beobachtete, in welchem ich erzogen wurde. Wenn ich das alte Lied singen höre, erinnere ich mich wieder der Zeit, wo ich noch jung und lebensfroh war – der stattlichen alten Collegiumshalle – und meiner Mitstudenten, die in ihren schwarzen Mänteln umherstrichen, und von denen manche schon – arme Bursche! – in ihren Gräbern ruhen.«
    Der Geistliche jedoch, in dessen Gedächtniß die Erinnerungen nicht mehr so lebendig waren, und der es überhaupt immer mehr mit den Worten, als mit dem Sinn zu thun hatte, focht die Leseart des Oxforder

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