Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
demüthige Biene, die Süßigkeiten von allen rosigen Lippen der Gegend umher ein.
Die Zurückhaltung der Gäste wich bald dem Wohlleben und der Gesprächigkeit. Es liegt etwas Gerades und Herzliches in der Fröhlichkeit der niederen Stände, wenn sie durch das Wohlwollen und die Vertraulichkeit der höheren erweckt wird; das warme Gefühl der Dankbarkeit gesellt sich zu ihrer Freude, und ein freundliches Wort oder ein kleiner Scherz, den ein Gönner macht, erheitert das Herz des Untergeordneten mehr als Oel und Wein. Als der Squire sich entfernt hatte, wuchs die Fröhlichkeit – und es wurde viel gescherzt und gelacht, besonders zwischen Meister Simon und einem kräftigen, frisch aussehenden, weißköpfigen Pachter, der der Witzling des Dorfes zu sein schien; denn ich bemerkte, daß alle seine Gefährten mit offenem Munde seine Antworten erwarteten, und, ehe sie sie recht verstehen konnten, in ein lautes Gelächter ausbrachen.
In der That schien das ganze Haus sich der Fröhlichkeit überlassen zu haben; als ich in mein Zimmer ging, um mich zum Mittagsessen anzukleiden, hörte ich den Ton der Musik auf einem kleinen Hofe; ich blickte durch ein Fenster, von wo aus ich denselben überschauen konnte und sah dort eine Bande wandernder Musiker mit Papagenoflöten und Tambourinen stehen; ein hübsches kokettes Hausmädchen tanzte mit einem drallen Bauernburschen eine Gigue, während einige andere Dienstboten zusahen. Mitten in dieser Lustbarkeit erblickte das Mädchen mein Gesicht am Fenster, und lief hocherröthend mit einer schelmisch verlegenen Miene davon.
Das Weihnachtstags-Mittagessen.
Ha, unser größtes Fest ist da,
Laßt jeden fröhlich sein,
Mit Epheu schmückt die Zimmer ja,
Die Thür mit Reisern fein.
Der Rauch aus jedem Schornstein quillt,
Die Weihnachtsblöcke glüh’n;
Oefen sind mit Gebäck erfüllt,
Bratspieß’ geh’n her und hin.
Den Gram laßt vor die Thür uns führen,
Und sollt’ er dort vielleicht erfrieren,
Scharrt in die Christ-Pastet ihn ein
Und laßt uns immer lustig sein.
Wither’s
Juvenilia .
Ich hatte meine Toilette beendigt und schlenderte mit Frank Bracebridge in der Bibliothek umher, als wir ein entferntes Pochen hörten, welches, wie er mir sagte, ein Zeichen war, daß man das Mittagessen auftrage. Der Squire hielt, sowohl in der Küche, als in der Halle, alte Gebräuche aufrecht, und das Aufschlagen des Kochs mit dem Mangelholz auf den Anrichte-Tisch, forderte die Bedienten auf, die Speisen aufzutragen.
Der Koch klopft eben dreimal, hört,
Im Nu die Dienerschaar jetzt kehrt
Jeder an seinen Ort;
Und Jeder, sein Gericht zur Hand,
Schreitet kühn vor, wie ein Trabant,
Trägt auf und eilet fort.
Das Mittagsessen wurde in der großen Halle aufgetragen, wo der Squire immer sein Weihnachtsmahl hielt. Ein helles, prasselndes Feuer von Blöcken war hoch aufgehäuft, das geräumige Zimmer zu erwärmen, und die Flamme stieg funkelnd und glänzend den weitgeöffneten Schornstein empor. Das große Bild des Kreuzfahrers mit seinem weißen Rosse war zu diesem Feste mit grünen Reisern reich ausgeschmückt worden. An der Mauer gegenüber waren um Helm und Rüstung, einst die Waffen des Kriegers, wie ich hörte, Stechpalme und Epheu gewunden. Ich muß beiläufig gestehen, daß ich einige bedeutende Zweifel über die Echtheit des Bildes und der Waffen hatte, insofern sie dem Kreuzfahrer angehören sollten, da sie den Stempel von neuerer Zeit trugen; man sagte mir indessen, daß man das Bild seit undenklichen Zeiten so geschätzt habe, und daß, was die Rüstung beträfe, diese in einer Polterkammer gefunden, und ihr der gegenwärtige Platz von dem Squire angewiesen worden sei, der sogleich entschieden habe, daß dieß die Rüstung des Familienhelden sein müsse; und da er über alle solche Gegenstände in seinem Hause die entscheidende Autorität hatte, so ward auch die Sache allgemein angenommen. Unter diesen ritterlichen Siegeszeichen stand der Schenktisch, auf welchem ein Reichthum von Silberzeug prangte, der (wenigstens in Hinsicht der Mannigfaltigkeit) mit Belhazar’s prächtigem Tempelgeräth hätte wetteifern können; »Krüge, Kannen, Becher, Schalen, Becken und Gießkannen;« das prunkvolle Geräth des Wohllebens, das sich allmählig, seit mehreren Geschlechtern lebenslustiger Hausherren, angehäuft hatte. Vor diesem standen die zwei Weihnachtskerzen, welche wie zwei Sterne erster Größe glänzten; andere Lichter waren auf Armen vertheilt, und das Ganze glänzte wie ein Firmament
Weitere Kostenlose Bücher