Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
eintreffen will. Aber der große Prüfstein war eine Kirchenmusik, welche Meister Simon vorbereitet und angeordnet hatte, und auf welche er große Erwartungen gründete. Unglücklicherweise fiel gleich zu Anfange ein Fehler vor; die Musiker geriethen in Unordnung; Meister Simon war in Fieberhitze; alles ging lahm und unregelmäßig, bis sie an einen Chor kamen, welcher begann: »nun laßt uns singen Alle vereint,« welches das Zeichen zu sein schien, daß Jeder seinen Weg gehen sollte; alles ward Mißklang und Verwirrung; Jeder suchte sich zu helfen so gut er konnte, um so gut oder vielmehr so schnell als möglich zu Ende zu kommen, einen alten Chorsänger mit einer Hornbrille ausgenommen, welche auf einer langen, tönenden Nase thronte und sie zwängte. Da er zufällig ein wenig entfernt von den Andern stand, und in seine eigene Melodie versunken war, trillerte er noch immer fort, drehte dabei den Kopf, auf sein Buch schielend, und beschloß das Ganze mit einem näselnden Solo, das wenigstens drei Takte dauerte.
Der Geistliche gab uns eine sehr gelehrte Predigt über die Weihnachtsgebräuche und Festlichkeiten, und wie man das Weihnachtsfest nicht bloß als ein Fest der Dankbarkeit, sondern auch der Freude betrachten müsse, wobei er die Wahrheit seiner Ansicht durch die frühesten Kirchengebräuche zu unterstützen, und sie durch die Autoritäten eines Theophilus von Cäsarea, des heiligen Cyprianus, Chrysostomus, Augustinus und eine Menge anderer Heiligen und Kirchenvätern zu erhärten suchte, aus denen er viele Stellen anführte. Ich war nicht ganz im Stande, die Nothwendigkeit eines so mächtigen Aufgebots von Hülfsquellen einzusehen, um etwas zu behaupten, das Niemand bestreiten zu wollen schien; ich fand indessen bald, daß der gute Mann eine Legion eingebildeter Gegner hatte; denn, im Verfolge seiner Untersuchungen über die Weihnachten, hatte er sich ganz und gar in die Sectenstreitigkeiten der Revolutionszeit verloren, wo die Puritaner einen so heftigen Angriff auf die Kirchenfeierlichkeiten machten, und die armen alten Weihnachten durch eine öffentliche Bekanntmachung des Parlaments Landes verwiesen wurden. [Fußnote: Aus dem »fliegenden Adler,« einer kleinen Zeitung, vom 24. December 1652: »das Haus brachte an diesem Tage lange Zeit mit den Marinesachen und dem Kriege zur See zu, und ehe es auseinander ging, ward ihm noch eine gewaltige Vorstellung gegen den Weihnachtsfeiertag eingereicht, welche auf die heilige Schrift gegründet war, namentlich auf 2. Kor. V. 16. 1. Kor. XV. 14. 17. und zur Ehre des Tages des Herrn, ebenfalls auf die heilige Schrift gegründet, Evang. Joh. XX. 1. Offenb. I. 10. Psalm CXVIII. 24. 3. Buch Mos. XXIII. 7. 11. Evangel. Marc. XV. 8. Psalm LXXXIV. 10., wo Weihnachten des Antichrist’s Messe genannt ward, und Diejenigen, welche es feiern, Meßkrämer und Papisten u s. w. Demzufolge berathschlagte das Parlament noch eine Zeitlang über die Abschaffung des Weihnachtsfeiertags, erließ einen Befehl deßwegen, und beschloß, am folgenden Tage, der gewöhnlich der Weihnachtsfeiertag genannt wurde, Sitzung zu halten. – Anm. des Verfassers .] Der würdige Pfarrer lebte nur in den vergangenen Zeiten, und wußte gar wenig von der Gegenwart.
Abgeschlossen unter den wurmstichigen Bänden, in der Stille seines kleinen altfränkischen Studirzimmers, erschienen ihm die Blätter der alten Zeit wie die Zeitungen des Tages; während er die Zeit der Revolution als neuere Geschichte ansah. Er vergaß, daß fast zwei Jahrhunderte verflossen waren, seit die grausame Verfolgung der armen Fleischpastete im ganzen Lande Statt gefunden hatte und die Rosinensuppe als »reine Päbstelei,« und Roastbeef als unchristlich angesehen worden war, und daß das Weihnachtsfest mit dem munteren Hofe König Karl’s bei der Wiederherstellung des Königthums im Triumph zurückgekehrt war. Er wurde warm bei seinem hitzigen Streit und dem Schwarme eingebildeter Feinde, mit denen er zu kämpfen hatte; er führte einen hartnäckigen Kampf mit dem alten Prynne und zwei oder drei anderen Kämpen der Rundköpfe über die Weihnachtsfeierlichkeiten, und schloß damit, daß er seinen Zuhörern auf die feierlichste und rührendste Weise einschärfte, an den Ueberlieferungsgebräuchen ihrer Voreltern fest zu halten, und an diesem fröhlichen Jahresfeste der Kirche, lustig und guter Dinge zu sein.
Ich habe selten eine Predigt gehört, die anscheinend eine unmittelbarere Wirkung gehabt hätte; denn, als ich die
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