Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
daß er Parks und Gärten zu seiner Erholung offen sieht. Er athmet die reinen Lüfte eben so frei ein, und ruht eben so wohlgemuth im Schatten, als der Herr des Bodens; und wenn er auch nicht das Vorrecht hat, Alles, was er sieht, sein eigen zu nennen, so braucht er auch nicht dafür zu bezahlen und es in Ordnung zu halten.
Ich fand mich nun zwischen prachtvollen Eichen-und Ulmen-Alleen, deren gewaltiger Umfang von dem Alter von Jahrhunderten zeugte. Der Wind klang feierlich in ihren Zweigen und die Raben krächzten aus ihren ererbten Horsten in den Baumwipfeln. Das Auge verlor sich in eine weite Ferne, wo nichts die Aussicht unterbrach als eine tief im Hintergrunde stehende Bildsäule und ein umherstreifender Damhirsch, der wie ein Schatten an der Oeffnung vorüberstrich.
Es liegt in diesen stattlichen alten Baumgängen etwas, das fast wie die gothische Baukunst wird, nicht allein der angeblichen Aehnlichkeit des Aeußern wegen, sondern weil sie von einer langen Dauer, so wie davon zeugen, daß sie in einer Zeit entstanden sind, mit welcher wir Begriffe von romantischer Größe verbinden. Sie bekräftigen auch die lange bestehende Würde und stolz erhaltene Unabhängigkeit einer alten Familie; und ich habe einen sehr würdigen, aber aristokratisch gesinnten Freund, wenn er von den prachtvollen Palästen der neueren Vornehmen sprach, die Bemerkung machen hören, daß »das Geld viel über Stein und Mörtel vermöge, aber, Gott sei Dank, eine Eichenallee lasse sich nicht so schnell aufführen.«
Wegen der Wanderungen, welche Shakspeare in seinem früheren Leben in dieser reich ausgestatteten Gegend und in der romantischen Einsamkeit des anstoßenden Parks von Fullbrooke, welcher damals zu dem Gute Lucy’s gehörte, vorgenommen, glaubten einige seiner Erklärer, er habe die erhabenen Waldbetrachtungen des Jacques und die bezaubernden Forstgemälde in »Wie es euch gefällt« da geschöpft. Auf einsamen Wanderungen durch solche Gegenden trinkt das Gemüth stille, aber tiefe Züge der Begeisterung und wird für die Schönheit und Majestät der Natur wahrhaft empfänglich. Die Einbildungskraft verliert sich in Träumereien und Entzückungen; unbestimmte, aber schöne Bilder und Gedanken drängen sich herzu, und wir schwelgen in einer stummen und fast unmittheilbaren Ueppigkeit der Gedanken. In einer solchen Stimmung, und vielleicht unter einem dieser Bäume vor mir, welche ihre breiten Schatten über die begraseten Ufer und bewegten Gewässer des Avon warfen, ergoß sich wahrscheinlich des Dichters Phantasie in das kleine Lied, aus welchem die ganze Seele eines ländlich seligen Menschen spricht.
Unter des Laubdach’s Hut
Wer gerne mit mir ruht,
Und stimmt der Kehle Klang
Zu lust’ger Vögel Sang,
Komm geschwinde! geschwinde! geschwinde!
Kein andrer Feind
Ihm hier erscheint
Als Wetter, Regen und Winde.
Das Haus lag jetzt vor meinen Blicken. Es ist ein großes Gebäude von Mauersteinen, mit Ecken von Quadern und in dem gothischen Style aus den Zeiten der Königin Elisabeth erbaut, in deren erstem Regierungsjahre es aufgeführt wurde. Das Aeußere ist beinahe ganz in seinem ursprünglichen Zustande geblieben, und kann als ein anschauliches Muster von dem Aufenthaltsorte eines reichen Landedelmannes jener Tage gelten. Ein großes Thor führt von dem Park nach einer Art Vorhof vor dem Hause, mit einem Rasenplatz, Sträuchern und Blumenbeeten verziert. Das Thor ist eine Nachahmung der alten Brückenköpfe, einer Art Außenwerk, und mit Thürmen zur Seite, obgleich augenscheinlich zur bloßen Verzierung, statt zur Vertheidigung. Die Vorderseite des Hauses ist ganz im alten Style; die Fenster mit steinernen Kreuzen, ein großes Erkerfenster von schwerem Quaderwerkstein und ein Portal mit dem Wappenschilde darüber, in Stein ausgehauen. An jeder Ecke des Gebäudes ist ein achteckter Thurm mit einem vergoldeten Knopfe und einem Wetterhahn auf dem Dache.
Der Avon, welcher sich durch den Park windet, macht gerade an dem Fuße eines sanften Abhanges. welcher sich an der hintern Seite des Hauses hinabzieht, eine Krümmung. Große Herden von Damhirschen weideten oder ruheten an seinen Ufern; und Schwäne segelten majestätisch auf seinem Busen. Wie ich das ehrwürdige alte Haus betrachtete, rief ich mir Falstaff’s Lobrede auf des Richters Shallow Wohnsitz in das Gedächtniß zurück, und die angenommene Gleichgültigkeit und wahre Eitelkeit des letztern:
» Falstaff . Ihr habt hier eine artige, reiche Besitzung.
» Shallow
Weitere Kostenlose Bücher