Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
menschliche Gemüth werden, und seinen Unterdrückern durch eine Karrikatur und ein Pasquill die Unsterblichkeit verleihen würde!
Ich wurde nun von dem Haushofmeister eingeladen, in den Garten zu gehen, und ich fühlte mich geneigt, den Obstgarten und die Laube zu sehen, wo der Richter den Sir John Falstaff und den Vetter Silence mit einem Apfel vom vergangenen Jahre, von seinem eigenen Pfropfreis, und mit einer Schüssel Feldkümmel bewirthete; allein meine Wanderungen hatten mir schon einen so großen Theil des Tages weggenommen, daß ich genöthigt war, alle weitere Nachforschungen aufzugeben. Als ich im Begriff war, mich zu beurlauben, ward ich sehr angenehm durch das freundliche Ersuchen der Haushälterin und des Haushofmeisters überrascht, daß ich doch einige Erfrischungen zu mir nehmen möchte; ein Zug guter alter Gastfreiheit, von dem wir Schlösser-Jäger leider nur selten Beispiele in neueren Zeiten finden. Ich zweifele nicht, daß dieß eine Tugend ist, welche der gegenwärtige Repräsentant der Lucy von seinen Vorfahren geerbt hat; denn Shakspeare stellt, selbst in seiner Karrikatur, den Richter Shallow als beflissen in dieser Rücksicht dar, wie seine angelegentlichen Aufforderungen an Falstaff beweisen.
»Bei allen Teufeln, Herr, Ihr sollt heute Nacht nicht fort. Ich werde Euch nicht entschuldigen; Ihr werdet nicht entschuldigt; Ihr dürft nicht entschuldigt werden; Entschuldigungen werden nicht angenommen; Entschuldigungen sollen Euch nichts helfen; Ihr sollt Euch nicht entschuldigen können… … Einige Tauben, Davy, ein Paar kurzbeinige Hühner, ein Stückchen Hammelsbraten und einige niedliche kleine artige Leckerbissen soll Wilhelm, der Koch, zubereiten.«
Mit großer Ueberwindung sagte ich nun der alten Halle Lebewohl. Mein Gemüth hatte sich in die eingebildeten Auftritte und Charaktere, welche damit in Verbindung standen, so hineinversetzt, daß ich wirklich unter ihnen zu leben schien. Alles brachte sie mir gleichsam vor die Augen, und als sich die Thür des Speisezimmers öffnete, glaubte ich beinahe die schwache Stimme Meister Silence’s zu hören, wie er sein Lieblingslied hergurgelte. [Fußnote: Heinrich IV. Thl. II. Fünfter Aufzug. Dritter Auftritt.]
Wo Männer allein, geht’s drauf und drein,
Und lustige Fastnacht willkommen.
Bei der Rückkehr in mein Gasthaus konnte ich nicht umhin, die besonderen Gaben des Dichters zu bewundern, der es so sehr verstand, den Zauber seines Gemüths selbst über das Antlitz der Natur zu verbreiten, den Sachen und Orten einen Reiz und Charakter zu verleihen, der ihnen nicht eigen ist, und diese Werktags-Welt in ein vollkommenes Feenland zu verwandeln. Er ist in der That der wahre Zauberer, dessen Zauberspruch nicht allein auf die Sinne, sondern auf die Einbildungskraft und das Herz wirkt. Unter dem zauberischen Einflusse Shakspeare’s war ich den ganzen Tag in einer vollständigen Verblendung umhergegangen. Ich hatte die Landschaft durch das Prisma der Dichtung betrachtet, welches jeden Gegenstand mit den Farben des Regenbogens überzieht. Ich war von Geschöpfen der Einbildungskraft, von reinen Luftgebilden, durch dichterische Kraft heraufbeschworen, welche aber doch für mich den ganzen Reiz der Wirklichkeit hatten, umgeben gewesen. Ich hatte Jacques unter seiner Eiche sein Selbstgespräch halten hören; hatte die schöne Rosalinde und ihren Begleiter sich durch den Wald wagen sehen; und war, vor allen Dingen, mehr als einmal im Geiste mit dem dicken Jack Falstaff und seinen Zeitgenossen, von dem erhabenen Richter Shallow bis zu dem artigen Meister Slender und der lieblichen Anne Page, in Gesellschaft gewesen. Zehntausend Mal Ehre und Segen über den Barden, der so die schalen Wirklichkeiten des Lebens durch unschuldige Blendwerke vergoldet; der ausgesuchte und unerkaufte Vergnügungen auf meinen Wechselpfad gesäet, und meinen Geist in mancher einsamen Stunde mit all den herzlichen und fröhlichen Mitgefühlen des geselligen Lebens erquickt hat!
Als ich auf meinem Rückwege über die Avon-Brücke ging, stand ich still, die entfernt liegende Kirche zu betrachten, worin der Dichter begraben liegt, und konnte mich über den Fluch nur freuen, welcher seine Asche ungestört in ihrem ruhigen und geheiligten Gewölbe erhalten hat. Welche Ehre könnte seinem Namen dadurch gewachsen sein, daß er in die Gemeinschaft des Staubes mit den Grabdenkmälern und Wappenschildern und feilen Lobinschriften der betitelten Menge gekommen wäre? Was würde ein
Weitere Kostenlose Bücher