Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Haushälterin schüttelte den Kopf, indem sie auf das Bild zeigte, und sagte mir, daß diese Dame den Karten übermäßig ergeben gewesen und einen großen Theil des väterlichen Erbguts verspielt hätte, wozu auch der Theil des Parks gehörte, worin Shakspeare und seine Cameraden den Hirsch erlegt. Die Ländereien, welche auf diese Art verloren gegangen, wären bis auf den gegenwärtigen Tag noch nicht ganz wieder an die Familie zurückgekommen. Bloß um dieser gottlosen Dame Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, muß ich gestehen, daß ihre Hand und ihr Arm ungemein schön waren.
Das Bild, welches meine Aufmerksamkeit am meisten auf sich zog, war ein großes Gemälde über dem Kamin, das die Portraits des Sir Thomas Lucy und seiner Angehörigen darstellte, welche die Halle in dem letzten Abschnitte von Shakspeare’s Leben bewohnten. Ich glaubte Anfangs, es sei das des rachsüchtigen Ritters selbst, allein die Haushälterin versicherte mich, es stelle seinen Sohn vor; da das einzige Bild des erstern, welches noch vorhanden, das aus seinem Grabe in der Kirche des benachbarten Weilers Charlecot sei. Dieses Bild gibt einen lebendigen Begriff von der Tracht und den Sitten der damaligen Zeit. Sir Thomas ist in eine Halskrause und ein Wamms gekleidet, in weiße Schuhe mit Bandrosen darauf, und hat einen spitzen gelben, oder wie Meister Slender sagen würde: »rohrfarbenen Bart.« Seine Gemahlin sitzt auf der andern Seite des Bildes mit einer breiten Halskrause und langem Brustlatz, und die Kleidung der Kinder hat eine höchst ehrwürdige Steifheit und Förmlichkeit. Große Jagd-und Wachtelhunde sind zu der Familiengruppe gesellt; ein Falk sitzt im Vordergrunde auf seiner Stange und eines von den Kindern hält eine Armbrust in der Hand; – Alles die Erfahrenheit des Ritters in der Treibjagd, Falkenbeize und dem Bogenschießen andeutend – so unentbehrlich für einen vollkommenen Edelmann in jenen Tagen. [Fußnote: Der Bischof Earle bemerkt, indem er von dem Landedelmanne seiner Zeit spricht: »seine Art der Haushaltung kann man bald an den verschiedenen Arten von Hunden und den Dienern, welche er in seinen Ställen verpflegt, erkennen, und die Tiefe seiner Kehle ist der Maßstab für die Tiefe seines Gesprächs. Einen Falken hält er für den wahren Refrain des Adels, und bildet sich sehr viel darauf ein, großes Vergnügen an dieser Jagd zu finden und die Fußriemen um die Faust geschlungen zu tragen.« Und Gilpin bemerkt in seiner Schilderung eines Herrn Hastings: er hielt alle Arten von Hunden, welche Rehe, Füchse, Hasen, Ottern und Dachse jagen, und hatte Falken von aller Art, sowohl lang-als kurzflügelige. Sein großer Saal war gewöhnlich mit Markknochen bedeckt, und voll von Falkenstangen, Hühner-, Wachtel-und Dachshunden. Auf einem breiten mit Ziegelsteinen belegten Herde lagen einige der vorzüglichsten Dachs-, Hühner-und Wachtelhunde. – Anm. des Verf. ]
Ich sah mit Bedauern, daß die alten Möbel aus der Halle verschwunden waren; denn ich hatte gehofft, den stattlichen Armsessel von Eichenholz mit Schnitzarbeit zu sehen, in welchem der Landedelmann in früheren Zeiten den Scepter der Herrschaft über seine ländlichen Besitzungen zu schwingen pflegte, und in welchem wahrscheinlich der gestrenge Sir Thomas ebenfalls in furchtbarer Würde thronend, saß, als der Uebelthäter Shakspeare vor ihn gebracht wurde. Da ich mir gern Bilder zu meiner eigenen Unterhaltung ausmale, so gefiel ich mir in dem Gedanken, daß eben dieser Saal der Schauplatz des Verhörs des unglücklichen Barden am Morgen nach seiner Gefangenschaft im Wildhüterhause gewesen sei. Ich dachte mir den ländlichen Machthaber, von seiner Leibwache, von Haushofmeister, Pagen und Bedienten in blauen Röcken mit ihren Wappenschilden umgeben; während der unglückliche Verbrecher, verlassen und muthlos, von Wildhütern, Jägern und Hundepeitschern bewacht und von einem Schwarm Bauerlümmel begleitet, hereingebracht wurde. Ich dachte mir die frischen Gesichter neugieriger Hausmädchen durch die halbgeöffneten Thüren hereinblickend; während die schönen Töchter des Ritters sich anmuthig über die Gallerie lehnten, den jugendlichen Gefangenen mit dem Mitleide betrachtend, welches stets in Frauenherzen wohnt. – Wer würde geglaubt haben, daß dieser arme Wicht, so vor der beschränkten Macht eines Landedelmannes und dem Spotte der Bauern zitternd, bald das Entzücken der Prinzen, das Thema aller Zungen und Alter, der Alleinherrscher über das
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