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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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Vorurtheile, welche man so früh hegte, sind heutigen Tages noch allgemein verbreitet. Gewisse gelehrte Gesellschaften haben allerdings mit lobenswerthem Eifer den wahren Charakter und die Sitten der indianischen Stämme genauer zu untersuchen und auf Licht zu stellen sich bemüht; auch die amerikanische Regierung hat mit Weisheit und Menschlichkeit dahin zu wirken gesucht, daß eine milde und nachgiebige Stimmung gegen sie sich offenbare, und sie gegen Betrug und Ungerechtigkeit geschützt seien. [Fußnote: Die amerikanische Regierung ist in ihren Bemühungen, die Lage der Indianer zu verbessern, und unter ihnen die Künste des gebildeten Lebens und bürgerliche und religiöse Kenntnisse einzuführen, unermüdlich gewesen. Um sie gegen Uebervortheilung von Seiten der weißen Handelsleute zu schützen, darf kein Einzelner Land von ihnen erkaufen, noch irgend Jemand Ländereien von ihnen, ohne die ausdrückliche Genehmigung der Regierung, zum Geschenk annehmen. Diese Vorsichtsmaßregeln werden streng gehandhabt. – Anm. des Verf. ]
    Die gangbare Ansicht von dem Charakter der Indianer bildet sich aber zu sehr nach den elenden Horden, welche die Grenzen beunruhigen und an dem Saume der Niederlassungen sich festgesetzt haben. Diese sind allzu häufig aus ausgearteten Geschöpfen zusammengesetzt, welche durch die Laster der bürgerlichen Gesellschaft verderbt und geschwächt sind, ohne daß deren Civilisation ihnen Nutzen gebracht hätte. Jene stolze Unabhängigkeit, welche die Hauptstütze der Tugenden der Wilden war, ist zerstört worden, und der sittliche Bau liegt in Trümmern. Ihr Geist ist durch das Bewußtsein der Unterordnung gedemüthigt und erniedrigt, und ihr natürlicher Muth durch die überwiegende Kenntniß und Macht ihrer aufgeklärten Nachbarn eingeschüchtert und gelähmt. Die bürgerliche Gesellschaft hat sie angeweht, wie einer jener verzehrenden Luftströme, die zuweilen über eine ganze fruchtbare Gegend Zerstörung verbreiten. Sie hat ihre Stärke entnervt, ihre Krankheiten vermehrt, und zu ihrer natürlichen Barbarei die niedrigen Laster des künstlichen Lebens hinzugefügt. Sie hat ihnen tausend künstliche Bedürfnisse gegeben, während sie die Mittel, ihr Dasein nur zu fristen, verringert hat. Sie hat die Thiere der Jagd vor sich hergetrieben, welche vor den Streichen der Art und dem Rauch der Niederlassung fliehen, und in den Tiefen entfernterer Wälder und noch unbetretener Wildnisse eine Zuflucht suchen. So finden wir oft, daß die Indianer an unsern Grenzen bloße Trümmer und Ueberbleibsel einst mächtiger Stämme sind, welche in der Nachbarschaft der Niederlassungen gehaust haben, und in ein ungewisses, landstreicherisches Leben versunken sind. Armuth, quälende, hoffnungslose Armuth, ein Wurm des Gemüths, der im Leben der Wilden unbekannt ist, verzehrt ihren Geist und vernichtet jede freie und edle Eigenschaft ihrer Gemüther. Sie werden Trunkenbolde, träg, schwach, diebisch und kleinmüthig. Sie schleichen wie Landstreicher um die Niederlassungen, unter geräumigen, mit ausgesuchten Bequemlichkeiten versehenen Wohnungen umher, welche ihnen das verhältnißmäßige Elend ihrer eigenen Lage nur noch fühlbarer machen. Der Prunk deckt seine große Tafel vor ihren Augen, allein sie sind von dem Gelage ausgeschlossen. Der Ueberfluß lacht auf den Feldern; aber sie hungern mitten in seiner Fülle: die ganze Wildniß ist zu einem Garten erblüht, aber sie fühlen wie Ungeziefer, das ihn zerstört.
    Wie verschieden war ihre Lage, als sie noch die ungestörten Herrn des Bodens waren! Sie hatten nur wenige Bedürfnisse, und die Mittel zu deren Befriedigung waren in ihren Händen. Sie sahen Alles um sich her dasselbe Schicksal theilen, dieselben Mühseligkeiten erdulden, von denselben Nahrungsmitteln das Leben fristen, in dieselben rohen Kleider gekleidet. Kein Dach erhob sich damals, das nicht den heimathlosen Fremdling aufgenommen hätte; kein Rauch kräuselte sich unter den Bäumen, ohne daß der Fremde nicht an dessen Feuer hätte Platz nehmen und des Jägers Mahl theilen können. »Denn,« sagt ein alter Geschichtschreiber von Neu-England, »ihr Leben ist so frei von Sorgen, und sie sind auch so liebevoll, daß sie das, was sie brauchen, als Gemeingut betrachten, und dabei sind sie so mitleidig, daß, ehe sie Einen aus Mangel verhungern lassen sollten, lieber alle verhungern würden; so bringen sie ihr Leben fröhlich hin, unbekümmert um unsern Prunk, und mit dem ihrigen, von dem Manche so

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