Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
gewöhnlichen Hindernisse in den Weg, welche so unausbleiblich bei allen leichtsinnigen Verbindungen sich entgegenstellen. Sein Rang in der Gesellschaft – die Vorurtheile vornehmer Verbindungen – seine Abhängigkeit von einem stolzen und unnachgiebigen Vater – Alles verbot ihm, an eine Heirath zu denken: – wenn er aber auf das unschuldige, so zärtliche, vertrauensvolle Wesen nieder blickte, lag eine Reinheit in ihren Sitten, eine Tadellosigkeit in ihrem Leben, und eine gewinnende Bescheidenheit in ihren Blicken, welche jedes frevelhafte Gefühl niederdrückte. Vergebens suchte er sich durch den Gedanken an tausend herzlose Beispiele von Modeleuten zu erstarken und die Aufwallung des edeln Gefühls durch den kalten, spottenden Leichtsinn zu dämpfen, womit er diese von weiblicher Tugend hatte reden hören; sobald er in ihre Nähe kam, fühlte er sich von jenem geheimen, aber von Leidenschaft ungetrübten Reize jungfräulicher Reinheit umgeben, in deren geheiligter Sphäre kein schuldiger Gedanke leben kann.
Das plötzliche Eintreffen eines Befehls an das Regiment, nach dem festen Lande aufzubrechen, machte die Verwirrung seines Gemüths vollständig. Eine kurze Zeit befand er sich in einem Zustande der peinlichsten Unentschlossenheit; er zauderte, die Nachricht mitzutheilen, bis der Tag zum Abmarsche da war, wo er ihr die Kunde auf einem Abendspaziergange mittheilte.
Der Gedanke an die Trennung war ihr früher nie in den Sinn gekommen. Er brach auf einmal in ihren Traum von Glückseligkeit herein; sie betrachtete ihn als ein plötzliches und unbesiegbares Uebel, und weinte mit der schuldlosen Einfalt eines Kindes. Er zog sie an seine Brust, und küßte die Thränen von ihrer zarten Wange; und er wurde nicht zurückgewiesen; denn es gibt Augenblicke, in denen sich Schmerz und Schwachheit mischen, und welche die Liebkosungen der Zärtlichkeit heiligen. Er war von Natur ungestüm; und der Anblick der Schönheit, welche, wie es schien, hingebungsvoll in seinen Armen lag – das Bewußtsein seiner Gewalt über sie – und die Furcht, sie zu verlieren; Alles vereinigte sich, sein besseres Gefühl zu überwältigen – er wagte es, ihr den Vorschlag zu machen, daß sie ihr väterliches Haus verlassen, und die Gefährtin seines Schicksals werden solle.
Er war noch ein völliger Neuling in den Künsten der Verführung, und erröthete und stockte bei seiner eigenen Niederträchtigkeit; aber sein Opfer war so schuldlosen Gemüthes, daß sie anfangs den Sinn seiner Rede gar nicht verstehen, und nicht begreifen konnte, warum sie ihr heimathliches Dorf und das bescheidene Dach ihrer Eltern verlassen solle. Als zuletzt der eigentliche Sinn seines Vorschlages wie durch einen Blitzstrahl ihrem reinen Sinne klar wurde, war die Wirkung vernichtend. Sie weinte nicht – sie ergoß sich nicht in Vorwürfe – sie sagte nicht ein Wort – aber sie schrack zurück, wie vor einer Schlange; warf einen Blick der Angst auf ihn, der ihm bis in das Innerste der Seele drang, und voll Todesqual die Hände zusammenschlagend, floh sie, als ob sie einen Zufluchtsort suchen wollte, nach ihres Vaters Hütte.
Der Offizier entfernte sich, verwirrt, gedehmüthigt, reuevoll. Es ist nicht zu bestimmen, was das Ergebniß des Kampfes seiner Gefühle gewesen sein würde, hätten die Vorkehrungen zur Abreise seinen Gedanken nicht eine andere Richtung gegeben. Neue Auftritte, neue Vergnügungen und neue Gefährten ließen ihn bald die Vorwürfe vergessen, die er sich selbst machte, und erstickten seine Zärtlichkeit, und doch, selbst in der Unruhe des Lagers, in den Schwelgereien des Garnisonlebens, den Zurüstungen der Heere, und sogar im Gewühl des Kampfes, stahlen sich seine Gedanken zuweilen zu den Bildern ländlicher Ruhe und der Einsamkeit des Dorfes – dem weißen Bauernhause – dem Fußpfade am Silberbache und an der Hagedornhecke, und dem kleinen Landmädchen zurück, wie sie an denselben hinwandelte, auf seinen Arm gelehnt, und wie sie mit Augen, von unbewußter Zärtlichkeit strahlend, auf seine Worte horchte.
Der Schlag, welchen das arme Landmädchen, dessen ganze Traumwelt zerstört war, erlitt, war in der That grausam gewesen. Ohnmachten und Krämpfe hatten zuerst ihren zarten Körperbau erschüttert, und ihnen folgte dann eine bleibende, zerstörende Schwermuth. Aus ihrem Fenster hatte sie den Marsch der abziehenden Truppen gesehen. Sie hatte ihren treulosen Liebhaber wie im Triumph bei dem Lärm der Trommel, dem Klange der
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