Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
unbeachtete Schönheiten entfalten, hinreichend das Skizzenbuch eines Liebhabers des Malerischen damit anzufüllen. Zuweilen stürzte er an felsigen Abhängen herab, bildete kleine Wasserfälle, über welche die Bäume ihre breiten wiegenden Aeste hinbreiteten, und lange namenlose Kräuter, mit Demanttropfen bedeckt, in Franzen von den überragenden Ufern herabhingen. Zuweilen tobte und schäumte er, in dem begrünten Schatten eines Waldes, den er mit seinem Gemurmel anfüllte, eine Schlucht hinunter; und dann, nach diesem stürmischen Laufe, kam er wieder mit Nachlässigkeit dem ruhigsten Aeußern dahinfließend, im Freien zum Vorschein; wie ich oft eine Xantippe von Frau, nachdem sie ihr Haus mit Lärm und Zank erfüllt, mit angenehmem Gesicht, sich drehend und Knixe machend, und alle Welt anlächelnd, aus der Thüre habe kommen sehen.
Wie reizend floß, zu solchen Zeiten, dieser irrende Bach durch den Busen irgend eines grünen Wiesenthales zwischen den Bergen dahin; wo die Ruhe nur von Zeit zu Zeit durch das Getön einer Glocke von der lässigen Viehherde im Klee, oder durch den Klang der Art eines Holzhauers in der benachbarten Waldung unterbrochen wurde.
Was mich betrifft, so bin ich immer ein Stümper in allen Arten von Vergnügungen gewesen, welche entweder Geduld oder Gewandtheit erforderten, und hatte noch nicht über eine halbe Stunde geangelt, als ich meine Lust vollkommen befriedigt, und mich von der Wahrheit des Ausspruchs Isaak Walton’s überzeugt hatte, daß es mit dem Angeln gewissermaßen wie mit der Dichtkunst ist – der Mensch müsse dazu geboren sein. Ich selbst blieb statt des Fisches am Angelhaken hängen; verwickelte mich mit der Angelschnur an jedem Baume; verlor meinen Köder; zerbrach meine Angelruthe; bis ich voll Verzweiflung mein Bestreben aufgab, den Tag unter den Bäumen zubrachte, den alten Isaak lesend; überzeugt, daß es der Alles gewinnende Anstrich von rechtlicher Einfachheit und ländlichem Gefühl, welcher sich bei ihm findet, sei, der mich bezaubert habe, und nicht die Leidenschaft für das Angeln. Meine Gefährten jedoch waren ausdauernder in ihrer Verblendung. Ich habe sie in diesem Augenblicke vor meinen Augen, wie sie am Ufer des Baches hinschlichen, da, wo es frei lag, oder nur mit Gesträuch und Gebüsch bedeckt war. Ich sehe die Rohrdommel mit hohlem Geschrei aufsteigen, in dem Augenblick, wo sie in ihre selten aufgesuchten Schlupfwinkel eindrangen; den Eisvogel sie mißtrauisch von seinem dürren Baume beobachten, welcher über den schwarzen Mühlteich in der Tiefe herüberragt; die Schildkröte seitwärts von dem Steine oder dem Holzblock, auf welchen sie, sich sonnend, lag, herabgleiten; und den erschrockenen Frosch kopfüber bei ihrer Annäherung in den Bach stürzen und Schrecken ringsumher in der Wasserwelt verbreiten.
So erinnere ich mich auch, daß, nachdem wir uns den größten Theil des Tages über geplagt und gelauscht hatten, umhergekrochen waren, und, unserer trefflichen Geschäftigkeit zum Trotz, wenig oder nichts gefangen hatten, ein plumper Dorfbursche, mit einer Angelruthe, die er von einem Baumzweige sich gemacht, einer kurzen Schnur von Zwirn, und so wahr mir der Himmel helfe! wie ich glaube, mit einer krummgebogenen Stecknadel statt Angelhaken, und einem gemeinen Regenwurm als Köder daran, die Hügel herab kam, und in einer halben Stunde mehr Fische fing, als den ganzen Tag über bei uns angebissen hatten!
Vor allen Dingen aber erinnere ich mich des »guten, einfachen, gesunden, hungrigen« Mahles, welches wir unter einer Buche, dicht bei einer Quelle reinen, süßen Wassers, das sich auf dem Abhange eines Hügels hervorstahl, hielten; und wie, als dieß vorüber war, einer von der Gesellschaft des alten Isaak Walton’s Auftritt mit dem Milchmädchen vorlas, während ich in dem Grase lag, und auf einer hellen Wolkenschichte Luftschlösser baute, bis ich einschlief. Alles dieß mag wie bloßer Egoismus erscheinen; allein ich kann mich nicht enthalten, diesen Erinnerungen, welche wie eine liebliche Musik vor meinen Sinnen vorübergehen, Worte zu leihen, und welche durch einen angenehmen Auftritt in mir erweckt worden sind, von dem ich vor nicht langer Zeit Zeuge gewesen bin.
Auf einem Morgenspaziergange die Ufer des Alun entlang, eines schönen kleinen Flusses, welcher von den Hügeln von Wales herabkommt und sich in den Dee ergießt, zog eine Gruppe, die an dem Uferrande saß, meine Aufmerksamkeit auf sich. Als ich näher kam, fand ich, daß
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