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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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Vergnügen selbst. Dann und wann tönte der Schlag einer Glocke von dem benachbarten Thurme in mein Ohr; ihre Töne stimmten zu der ganzen Umgebung, und waren im Einklang mit meinen Gefühlen, statt einen Mißlaut damit zu bilden; und es währte eine Zeit lang, ehe ich daran dachte, daß dieß der Glockenton für einen neuen Bewohner des Grabes sein müsse.
    Bald darauf sah ich einen Leichenzug sich über den Rasenplatz des Dorfes bewegen; er wand sich langsam einen Baumgang herunter; verschwand und kam wieder durch die Oeffnungen in dem Gebüsche zum Vorschein, bis er bei dem Orte vorüberzog, wo ich saß. Junge Mädchen, weiß gekleidet, trugen die Zipfel des Leichentuchs, und ein anderes, von ungefähr siebzehn Jahren, ging voraus und hatte einen Kranz von weißen Blumen in der Hand; ein Zeichen, daß die Verstorbene jung und unverheirathet gewesen war. Die Eltern folgten der Leiche. Es war ein ehrwürdiges Paar aus der bessern Classe der Landleute. Der Vater schien seinen Gefühlen Gewalt anzuthun; aber sein starres Auge, seine zusammengezogenen Augenbraunen und sein tiefgefurchtes Gesicht, zeigten den Kampf, welcher in seinem Innern vorging. Seine Gattin hing an seinem Arme und weinte laut bei dem krampfhaften Ausbruche des Schmerzes einer Mutter.
    Ich folgte dem Leichenzuge in die Kirche. Die Bahre ward in dem mittlern Schiffe niedergesetzt, und der Kranz von weißen Blumen, mit einem Paar weißen Handschuhe, über dem Kirchstuhle, wo die Verstorbene gewöhnlich gesessen hatte, aufgehängt.
    Jeder kennt das herzergreifende Gefühl, das eine Leichenfeier erweckt; denn wer ist so glücklich, nie Jemanden, den er liebte, zum Grabe geleitet zu haben? Wenn aber die Ueberreste der Unschuld und Schönheit, die in der Blüthe ihres Daseins dahinsanken, zur Ruhe bestattet werden, – was kann wohl rührender sein? Bei der einfachen, aber höchst feierlichen Stelle, wo der Körper der Erde übergeben ward – »Erde zu Erde – Asche zu Asche – Staub zu Staub!« – flossen die Thränen der jugendlichen Gefährtinnen der Verstorbenen unaufhaltsam. Der Vater schien noch mit seinen Gefühlen zu kämpfen, und sich mit der Versicherung zu trösten, daß die selig sind, die im Herrn sterben; die Mutter aber dachte ihres Kindes nur als einer Blume des Feldes, welche mitten in ihrer Blüthe gemäht und verwelkt war, und »trauerte wie Rachel über ihre Kinder, und wollte keinen Trost annehmen.«
    Als ich nach dem Gasthofe zurückkehrte, erfuhr ich die ganze Geschichte der Verstorbenen. Sie war sehr einfach, wie man deren oft erzählt hat. Das Mädchen war die Zierde des Dorfes gewesen. Ihr Vater war einst ein reicher Pachter, jetzt aber zurückgekommen. Sie war das einzige Kind, und, in der Einfachheit des ländlichen Lebens, ganz im väterlichen Hause erzogen worden. Sie war die Schülerin des Dorfpfarrers, das Lieblingslamm in seiner kleinen Herde gewesen. Der gute Mann wachte mit väterlicher Sorgfalt über ihre Erziehung. Diese war beschränkt, und der Sphäre, in welcher sie sich bewegen sollte, angemessen; denn er strebte nur, sie zu einer Zierde für ihren Standpunkt im Leben zu machen, nicht sie darüber zu erheben. Die Zärtlichkeit und Nachsicht ihrer Eltern, und das Unterlassen rauherer Beschäftigungen hatten die natürliche Anmuth und Zartheit ihres Charakters, welche mit der behenden Lieblichkeit ihrer Gestalt übereinstimmten, noch genährt. Sie erschien wie eine zarte Gartenpflanze, welche durch Zufall unter den rauheren Eingebornen des Feldes aufgesproßt ist.
    Ihre Gefährtinnen fühlten die Ueberlegenheit ihrer Reize und erkannten sie an, aber ohne Neid; denn die anspruchslose Anmuth und die gewinnende Güte ihres Benehmens übertrafen jene noch bei weitem. Man konnte mit Wahrheit von ihr sagen:
Das ist die schönste Bauernmaid, die je
Auf einem Rasen lief; nichts thut und scheint sie,
Das nicht nach etwas Höher’m schmeckt, als sie;
Zu vornehm für den Ort.
    Das Dorf war einer der abgelegenen Orte, in welchen sich noch einige Spuren der alten englischen Sitten erhalten haben. Es hatte seine ländlichen Feste und Feiertagsvergnügungen, und es wurde hier noch ein schwacher Schein der einst so beliebten Maiengebräuche beobachtet. Diese waren von dem gegenwärtigen Pfarrer des Dorfes sehr in Aufnahme gebracht worden; er war ein Liebhaber alter Gebräuche, und einer von den einfachen Christen, welche ihre Sendung erfüllt zu haben glauben, wenn sie Freude auf Erden und guten Willen unter den Menschen

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