Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
verbreiten. Unter seiner Begünstigung stand der Maienbaum von einem Jahr zum andern mitten auf dem Rasenplatze des Dorfes; er wurde am Maientage mit Kränzen und Wimpeln verziert; auch wie in alten Zeiten, eine Maienkönigin ernannt, welche bei den Spielen den Vorsitz führen und die Preise und Belohnungen austheilen mußte. Die malerische Lage des Dorfes und das Phantastische seiner ländlichen Feste zog oft die Aufmerksamkeit zufälliger Besucher auf sich. Unter diesen befand sich auch, an einem Maientage, ein junger Offizier, dessen Regiment vor kurzer Zeit in der Nachbarschaft einquartirt worden war. Der natürliche Geschmack, welcher in dieser Dorffeierlichkeit herrschte, zog ihn an; vor Allem aber die aufdämmernde Liebenswürdigkeit der Maienkönigin. Sie war der Liebling des Dorfes, die, mit Blumen bekränzt, in all der schönen Verwirrung mädchenhafter Schüchternheit und Freude erröthete und lächelte. Die Unbefangenheit der ländlichen Sitte machte es dem Fremden leicht, ihre Bekanntschaft zu machen; er fand nach und nach den Weg zu ihrem Vertrauen, und machte ihr auf die leichtsinnige Weise den Hof, womit junge Offiziere nur zu gern mit der ländlichen Einfalt ihr Spiel treiben.
Es lag in seinen Annäherungen Nichts, das Verdacht erwecken, oder beunruhigen konnte. Er sprach sogar nie von Liebe; allein es gibt eine Art, sie zu erklären, welche beredter als die Sprache ist, und welche sie dem Herzen leise und unwiderstehlich einflößt. Der Glanz des Auges, der Ton der Stimme, die tausend Zärtlichkeiten, welche aus jedem Worte und Blicke, aus jeder Bewegung sprechen – diese bilden die wahre Beredsamkeit der Liebe, und können immer gefühlt und verstanden, aber nie beschrieben werden. Können wir uns wundern, daß sie ein junges, schuldloses und empfängliches Herz leicht gewannen? Das Mädchen liebte, beinahe ohne sich dessen bewußt zu sein; sie fragte sich kaum, was die wachsende Leidenschaft sei, welche sich jedes Gedankens und jedes Gefühls bemeisterte, oder was die Folgen derselben sein würden. Sie blickte in der That nicht in die Zukunft hinaus. Wenn er da war, so beschäftigten seine Blicke und Worte ihre ganze Aufmerksamkeit; war er nicht da, so dachte sie nur an das, was bei ihrer letzten Zusammenkunft vorgegangen war. Sie wandelte mit ihm durch die grünen Baumgänge und in den ländlichen Gegenden der Nachbarschaft umher. Er lehrte sie, neue Schönheiten in der Natur sehen; er redete in der Sprache des feinen, gebildeten Lebens, und hauchte die Zaubereien der Romantik und Dichtkunst in ihr Ohr.
Es konnte vielleicht keine reinere Leidenschaft zwischen beiden Geschlechtern geben, als die des unschuldigen Mädchens. Die stattliche Gestalt ihres jugendlichen Bewunderers und der Glanz seiner kriegerischen Tracht, hatten wohl Anfangs des Mädchens Auge angezogen; aber dieses war es nicht, was ihr Herz gewonnen hatte. Ihre Anhänglichkeit hatte etwas von Vergötterung an sich. Sie blickte zu ihm, als zu einem Wesen höherer Art hinauf. Sie fühlte in seiner Gesellschaft die Begeisterung eines von Natur zarten, poetischen Gemüths, in welchem jetzt zuerst der Sinn für das Schöne und Große erwachte. An die gemeinen Abstände des Ranges und Vermögens dachte sie nicht; die Verschiedenheit der geistigen Ausbildung, des Benehmens, der Sitten, welche gegen die ländliche Gesellschaft, an die sie gewöhnt war, so sehr abstach, erhob ihn in ihrem Geiste. Sie hörte ihm mit bezaubertem Ohr und niedergeschlagenem Blicke, in welchem sich ein stummes Entzücken aussprach, zu, und ihre Wange röthete sich vor Begeisterung; oder wenn sie je einen scheuen Blick furchtsamer Bewunderung auf ihn zu werfen wagte, so wandte sie diesen schnell wieder ab, und seufzte und erröthete bei dem Gedanken an ihren eignen verhältnißmäßigen Unwerth.
Ihr Geliebter war eben so sehr von Leidenschaft erfüllt; diese aber bei ihm mit Gefühlen von einer rauheren Art gemischt. Er hatte in Leichtsinn das Verhältniß angeknüpft: er hatte seine Cameraden oft mit ihren Dorferoberungen prahlen gehört, und einen Sieg der Art als nothwendig zu seinem Ruf, als Mann von Geist, angesehen. Er war indeß zu voll von jugendlicher Wärme. Sein Herz war noch nicht kalt und selbstsüchtig genug durch ein unstätes und zerstreuungsvolles Leben geworden; es fing Feuer an derselben Flamme, die es anfachen wollte, und ehe er noch der Art seiner Lage sich bewußt war, hatte er sich wirklich verliebt.
Was sollte er thun? Hier traten die
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