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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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zweimal besser, als ihn seine Nachbarn machen. Seine Tugenden sind ihm alle eigenthümlich, ganz einfach, vaterländisch und natürlich. Selbst seine Fehler zeugen von der Kräftigkeit seiner guten Eigenschaften. Seine Verschwendung ist ein Beweis seiner Großmuth, seine Zanksucht von seinem Muth, seine Leichtgläubigkeit von seiner Treuherzigkeit, seine Eitelkeit von seinem Stolz, und seine Derbheit von seiner Aufrichtigkeit. Alle sind die Ergebnisse eines kräftigen und freisinnigen Charakters. Er ist wie sein Eichenholz, rauh von Außen, aber gesund und fest von Innen; die Rinde stößt so viel Zweige aus, als die Stärke und Größe des Baumes mit sich bringt; und die Aeste dröhnen und ächzen auf das furchtbarste bei dem leisesten Winde, gerade ihrer Größe und des üppigen Wachsthums willen. Auch liegt etwas in dem Aeußern seines verfallenden alten Hauses, das ungemein poetisch und malerisch ist; und so lang es mit Behaglichkeit bewohnt werden kann, zittere ich beinahe bei dem Gedanken, wenn man bei dem jetzigen Kampfe des Geschmacks und der Meinungen daran rühren sollte. Einige von seinen Rathgebern sind allerdings gute Baumeister, welche ersprießliche Dienste leisten könnten; ich fürchte indessen, daß mehrere davon bloße Gleichmacher sind, die, wenn sie erst mit ihren Hacken an dieß ehrwürdige Gebäude kommen, nicht eher ruhen werden, als bis sie es niedergerissen, und sich vielleicht selbst unter den Trümmern begraben haben. Alles was ich wünsche, ist, daß John’s gegenwärtige Lage ihn für die Zukunft mehr Klugheit lehren möge. Er muß aufhören, sich um anderer Leute Angelegenheiten zu bekümmern; er muß von dem fruchtlosen Bemühen abstehen, die Wohlfahrt seiner Nachbarn und den Frieden und das Glück der Welt mit dem Prügel befördern zu wollen; er muß ruhig zu Hause bleiben; sein Haus allmählig ausbessern; sein fruchtbares Gut nach seiner Laune bebauen; mit seinem Einkommen haushalten – wenn er das für geeignet hält; seine ungehorsamen Kinder in Ordnung halten – wenn er kann; die fröhlichen Scenen des alten Glückes erneuern, und sich auf seinem vaterländischen Boden noch lange eines frischen, ehrenvollen und heitern Alters erfreuen.
    Der Stolz des Dorfes.

Kein Wolf heul’, über deinem Hügel
Schwing’ keine Eule ihre Flügel!
Kein Wind, kein Sturm soll zieh’n, des Rasens Grün
Verdörrend; sondern, wie der Mai
Blüh’ er durch Liebe ewig neu.
Herrick .

    Während eines Ausfluges durch eine der entlegeneren Grafschaften von England, war ich auf eine der Nebenstraßen gekommen, welche durch die abgeschiedeneren Theile des Landes führen, und hielt eines Nachmittags in einem Dorfe an, dessen Lage ländlich-schön und einsam war. Die Einwohner hatten ein gewisses Ansehn patriarchalischer Einfachheit, das man in den Dörfern, welche an den großen Heerstraßen liegen, nicht findet. Ich beschloß, die Nacht hier zuzubringen, und schlenderte, nachdem ich früh zu Mittag gegessen, hinaus, um mich an der umliegenden Gegend zu ergötzen.
    Mein Weg führte mich zunächst, wie dieß gewöhnlich bei Reisenden der Fall ist, nach der Kirche, welche in einer kleinen Entfernung von dem Dorfe lag. Dieß war ein Gegenstand von einiger Bedeutung, indem der alte Thurm derselben ganz mit Epheu überwachsen war, so daß nur hie und da ein hervorstehender Strebepfeiler, die Ecke einer grauen Mauer, oder eine abenteuerliche Verzierung von Bildhauerarbeit aus der grünenden Bedeckung hervorblickte. Es war ein lieblicher Abend. Die frühere Hälfte des Tages war trübe und von Regenschauern begleitet gewesen; am Nachmittage hatte sich jedoch das Wetter aufgeklärt; und obgleich noch immer dunkle Wolken über dem Haupte hingen, zog sich doch ein breiter goldener Himmels-Streifen im Westen dahin, aus welchem die untergehende Sonne auf die tropfenden Blätter schien, und der ganzen Natur ein schwermüthiges Lächeln lieh. Es war wie die Scheidestunde eines guten Christen, welcher auf die Sünden und Sorgen der Welt niederlächelt, und durch die Heiterkeit seines Erlöschens es beurkundet, daß er in Herrlichkeit wiedererstehen werde.
    Ich hatte mich auf einen halbeingesunkenen Grabstein gesetzt, und dachte, wie man es in dieser ernstsinnigen Stunde wohl zu thun pflegt, an vergangene Ereignisse und Jugendfreunde – an die, welche entfernt, und die, welche todt waren – und überließ mich der Art von schwermüthigem Träumen, in welchem vielleicht etwas noch lieblicheres liegt, als ein

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