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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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Schulmeister, der den Inhalt einer alten Zeitung ihnen mitzutheilen pflegte. Statt diesem stand ein magerer, gallsüchtig aussehender Bursche da, welcher die Taschen voll von Zetteln hatte, und sehr heftig über Rechte des Bürgers – über Wahlen – Mitglieder des Congresses – Freiheit – Bunkershill [Fußnote: Die Schlacht am Bunkers-Hügel in der Nähe von Boston am 16. Juni 1775, wo das englische Heer, trotz seiner Ueberlegenheit, eine Niederlage erlitt.] – die Helden von sechs und siebenzig – und noch andere Wörter sprach, welche dem verwirrten van Winkle vollkommen wie babylonisches Kauderwelsch vorkamen.
    Rip’s Erscheinung mit seinem langen grauen Barte seiner verrosteten Vogelflinte, seinem sonderbaren Anzuge und der Herde von Weibern und Kindern, die sich ihm auf den Fersen sammelten, zog bald die Aufmerksamkeit der Schenkenpolitiker auf sich. Sie drängten sich um ihn und betrachteten ihn vom Kopf bis zu den Füßen mit großer Neugierde. Der Redner arbeitete sich hindurch bis zu ihm, zog ihn auf die Seite und fragte: »für wen er stimme?« Rip starrte ihn mit nichtssagender Albernheit an. Ein anderer kniffiger, aber geschäftiger kleiner Kerl nahm ihn bei dem Arm, stellte sich auf die Zehen und fragte ihn in das Ohr: »ob er ein Föderalist oder ein Demokrat sei?« Rip fand sich eben so unfähig, diese Frage zu beantworten, als ein zuversichtlicher, sich wichtig machender alter Herr mit einem spitz gekrämpten Hut, sich einen Weg durch die Menge bahnte, die er rechts und links mit dem Ellbogen zurückstieß wie er an ihnen vorbei kam, worauf er, den einen Arm in die Seite gestemmt, und mit dem andern auf den Stock sich stützend, sich vor van Winkle hinstellte, und, als wolle er mit seinem scharfen Auge und seinem spitzen Hute ihn bis auf den Grund seiner Seele durchdringen, mit strengem Ton fragte: »was ihn mit seiner Flinte auf der Schulter und einem Haufen Volks an seinen Fersen, zur Wahl bringe, und ob er einen Tumult im Dorfe anzustiften im Sinne habe?« – »Ach, Ihr Herren,« rief Rip etwas beklommen aus, »ich bin ein armer friedliebender Mann, in diesem Orte daheim, und ein treuer Unterthan des Königs, Gott segne ihn!«
    Hier brachen die Umstehenden in ein allgemeines Geschrei aus: »Ein Tory! ein Tory! ein Spion! ein Ueberläufer! schafft ihn fort! weg mit ihm!« Mit großer Mühe vermochte der gewichtige Mann mit seinem gekrämpten Hute die Ordnung wieder herzustellen, und nachdem er eine zehnmal strengere Miene angenommen, fragte er noch einmal den unbekannten Verbrecher, weßwegen er hierher käme und wen er suche? Der arme Mann versicherte ihn demüthig, daß er nichts Arges im Sinne habe, sondern nur hergekommen sei, um einige seiner Nachbarn aufzusuchen, die sich in der Schenke aufzuhalten pflegten.«
    »Gut – wer sind sie? nennt sie!«
    Rip bedachte sich einen Augenblick und fragte: »Wo ist Nicolaus Vedder?«
    Eine kleine Weile herrschte allgemeines Stillschweigen; dann aber antwortete ein alter Mann, mit einer dünnen pfeifenden Stimme. »Nicolaus Vedder? Nun, der ist schon vor achtzehn Jahren gestorben und dahin. Es war ein hölzerner Grabstein auf dem Kirchhofe, welcher Alles erzählte, wie es mit ihm im Leben gewesen war; aber der ist auch längst verfault.«
    »Wo ist Brom Dutcher?«
    »Oh, der ging im Anfang des Krieges mit dem Heere; Einige sagen, er wäre bei der Erstürmung von Stoney-Point umgekommen – Andere meinen, er sei in einem Sturme bei Antonius Nase[einem Vorgebirge, östlich vom Hudson] ertrunken. Genug – er ist nicht wieder zurückgekommen.«
    »Wo ist van Bummel, der Schulmeister?«
    »Er ging auch mit in den Krieg, ward ein großer Miliz-General und sitzt im Congreß.«
    Rip’s Herz sank, wie er von diesen Veränderungen in seiner Heimath und bei seinen Freunden hörte, und sich nun so allein in der Welt fand. – Jede Antwort die er erhielt, vermehrte sein Erstaunen, da hier von so ungeheuren Zeiträumen und von Dingen die Rede war, die er durchaus nicht begreifen konnte. Krieg – Congreß – Stoney-Point; – er hatte nicht den Muth, noch nach andern Freunden zu fragen, sondern rief in Verzweiflung aus: »Kennt Niemand hier Rip van Winkle?«
    »Oh Rip van Winkle!« riefen Zwei oder Drei aus, »Oh allerdings! der ist Rip van Winkle, der dort, der sich an den Baum lehnt.«
    Rip sahe hin und erblickte genau sein Ebenbild von damals, als er den Berg hinangestiegen war, wie es schien, eben so träge, und gewiß eben so zerlumpt. Der arme Mann

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