Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
andere Pferde; entweder weil sie etwas von dem Familienstolze mit erhalten hatten, oder schärfer als gewöhnlich gezäumt waren.
Ich mußte die Art und Weise bewundern, womit diese glänzende Erscheinung sich an der Thür des Kirchhofes präsentirte. Schon das Umkehren um die Ecke war von großem Effect; – ein starker Knall der Peitsche, das Ausgreifen und Anstrengen der Pferde, das Blitzen des Geschirres und das Dahinrollen der Räder durch den Kies. Dieß war der Augenblick des Triumphs und eitlen Ruhms für den Kutscher. Die Pferde wurden abwechselnd angetrieben und zurückgehalten, bis sie schäumten. Nun warfen sie die Beine in hohem Trabe aus, bei jedem Tritte die Kiesel hinwegstiebend. Der Haufe von Landleute, welcher friedlich zur Kirche schlenderte, fuhr schnell zur Rechten und Linken auseinander, in stummer Bewunderung hingaffend. Vor der Thür riß der Kutscher die Pferde so schnell zurück, daß sie auf einmal still standen und beinahe auf die Hinterfüße zurück fielen.
Nun sprangen die Bedienten mit außerordentlicher Eile herab, rissen den Schlag auf, klappten die Tritte herab und bereiteten Alles zum Herabsteigen der erhabnen Familie auf die Erde, vor. Zuerst streckte der alte Städter sein rothes rundes Antlitz zur Thür hinaus, sich mit der stolzen Miene eines Mannes umschauend, der gewohnt ist, auf der Börse zu gebieten und den Stock-Markt mit einem Winke in Bewegung zu setzen. Seine Gattin, eine wohlaussehende, fleischige, behagliche Dame, folgte ihm. Aus ihr sprach, die Wahrheit zu gestehen, wenig Stolz. Sie war ein lebendes Bild des behaglichen, ehrlichen, gewöhnlichen Genießens. Es ging ihr gut in der Welt, und sie hatte die Welt gern. Sie hatte schöne Kleider, ein schönes Haus, einen schönen Wagen, schöne Kinder; Alles um sie her war schön, sie hatte weiter nichts zu thun, als umherzufahren, Besuche abzustatten und Ergötzlichkeiten zu genießen. Das Leben war ein ununterbrochenes Fest für sie, es war ein langer Lord-Mayors-Tag.
Zwei Töchter folgten diesem stattlichen Ehepaare. Sie waren schön zu nennen, hatten aber in ihrem Wesen etwas Anmaßendes, das die Bewunderung abkühlte und den Beschauer zu strengerer Prüfung veranlaßte. Sie waren übermodisch gekleidet, und obgleich ihnen Niemand Reichthum des Putzes abstreiten konnte, so war es doch die Frage, ob er für die Einfachheit einer Dorfkirche geeignet sei. Sie stiegen stolz aus dem Wagen, und gingen zwischen den Reihen der Landleute mit Schritten hindurch, welche kaum den Boden berühren zu wollen schienen, den sie betraten. Sie warfen einen flüchtigen Blick umher, der kalt über die plumpen Gesichter der Bauern hinwegstreifte, bis sie die Familie des Edelmannes erblickten, wo ihre Gesichter sich plötzlich in ein Lächeln verklärten, und sie die tiefsten und zierlichsten Verbeugungen machten, die auf eine Art erwiedert wurden, welche bewies, daß sie nur oberflächliche Bekannte waren.
Ich muß nicht vergessen, der zwei Söhne dieses aufstrebenden Bürgers zu erwähnen, die in einem glänzenden Cabriolet mit Vorreitern nach der Kirche kamen. Sie waren nach den neuesten Vorschriften der Mode gekleidet, mit aller der Kleinlichkeit des Anzuges, welche den Mann bezeichnet, der Ansprüche auf genaue Beobachtung der Mode macht. Sie hielten sich ganz abgesondert, und sahen Jeden, der sich ihnen näherte, von der Seite an, als ob sie seine Ansprüche auf Betrachtung abmäßen; sie sprachen aber selbst nicht miteinander, ausgenommen, wenn sie etwa gelegentlich eine gewöhnliche Modephrase wechselten. Sie bewegten sich sogar künstlich, denn ihr Körper hatte, der Laune des Tages angemessen, schon alle Ungezwungenheit und Freiheit abgelegt. Die Kunst hatte Alles gethan, sie als Modeleute vollkommen zu machen, die Natur ihnen aber ihre namenlose Anmuth versagt. Sie hatten ein gemeines Ansehen, wie Leute, welche zu den gewöhnlichen Beschäftigungen des Lebens erzogen sind, und dabei jene Miene hochmüthiger Anmaßung, welche man nie an dem Mann von gutem Ton sieht.
Ich bin bei dem Ausmalen der Bilder dieser zwei Familien etwas in das Einzelne gegangen, weil ich sie für Proben desjenigen ansah, was man oft in diesem Lande antrifft – anspruchsloser Größe und anmaßender Kleinheit. Ich hege keine Achtung vor betiteltem Rang, wenn er nicht mit wahrem Seelenadel verknüpft ist; aber ich habe in den Ländern, wo die künstlichen Unterscheidungen bestehen, bemerkt, daß die höchsten Classen allemal die höflichsten und
Weitere Kostenlose Bücher