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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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schien alle Liebe, alle Freundschaft, alle Geselligkeit überlebt, und nichts übrig behalten zu haben, als die Hoffnung auf den Himmel. Als ich sie mit Mühe aufstehen und ihren gealterten Körper sich zum Gebete beugen sah, wie sie mechanisch aus ihrem Gebetbuch, das ihre gelähmte Hand nicht zu halten und ihre schwachen Augen ihr nicht mehr zu lesen erlaubten, welches sie aber augenscheinlich auswendig wußte, ihr Gebet hersagte; da fühlte ich die Ueberzeugung, daß die gebrochene Stimme der armen Frau, weit vor den Responsen des Kirchendieners [Fußnote:
The clerk
. Der oft erwähnte Schreiber und Gehülfe des Pfarrers, der bei dem Gottesdienste auch die Antworten auf die in der Liturgie vorkommenden Sätze abliest.] , den Tönen der Orgel oder dem Gesange des Chors, zum Himmel aufsteigen würde.
    Ich schlendere gern um Dorfkirchen umher, und diese lag so herrlich, daß sie mich häufig zu sich hinzog. Sie stand auf einem Hügel, um welchen ein kleiner Fluß eine schöne Krümmung bildete, und sodann durch einen weit hingestreckten sanften Wiesengrund sich dahin schlängelte. Die Kirche war mit Eibischbäumen umgeben, welche beinahe so alt zu sein schienen, als sie selbst. Ihr hoher, gothischer Thurm stieg leicht aus diesen empor, und Raben und Krähen umkreiseten ihn gewöhnlich. Ich saß dort an einem stillen, sonnigen Morgen und sah zwei Todtengräbern zu, die ein Grab gruben. Sie hatten einen der entferntesten und verlassensten Winkel des Kirche gewählt, wo nach der Anzahl namenloser Gräber umher, die Dürftigen und Freundlosen in die Erde gescharrt worden zu sein schienen. Man sagte mir, das frische Grab sei für den einzigen Sohn einer armen Wittwe bestimmt. Während ich über die Unterschiede nachdachte, welche der Rang hienieden macht, und welche sich so herab bis auf den Staub sogar erstrecken, kündigte der Klang der Glocke die Annäherung des Leichenzuges an. Es war die Bestattung der Armuth, mit welcher der Stolz nichts zu thun hatte. Ein Sarg von den einfachsten Materialien, ohne Leichentuch oder andere Bedeckung, ward von einigen der Dorfbewohner getragen. Der Küster ging mit einer Miene kalter Gleichgültigkeit voran. Es folgten keine possenhaften Leidtragenden in den Gewändern eines erheuchelten Schmerzes; allein man sah da eine wahre Leidtragende, welche schwach der Leiche nachwankte. Dies war die bejahrte Mutter des Verstorbenen – die arme alte Frau, welche ich auf den Stufen des Altars hatte sitzen sehen. Eine arme Freundin unterstützte sie und suchte sie zu trösten. Einige wenige Nothleidende aus der Nachbarschaft hatten sich dem Zuge angeschlossen, und einige Kinder aus dem Dorfe liefen, Hand in Hand, dahinter her und jauchzten bald mit sorgloser Fröhlichkeit, bald blieben sie stehen, um mit kindischer Neugier den Schmerz der Trauernden zu betrachten.
    Als der Leichenzug sich dem Grabe näherte, trat der Pfarrer aus der Kirchenthür, mit dem Chorrocke angethan, das Gebetbuch in der Hand, und von dem Kirchendiener begleitet. Die Todtenfeier war indessen eine bloße Handlung der Barmherzigkeit. Der Verstorbene war unbemittelt gewesen, und die Ueberlebende war ganz arm. Es wurde daher der Form, aber kalt und gefühllos, in aller Eile Genüge gethan. Der wohlgenährte Geistliche bewegte sich nur einige Schritte von der Kirchenthür; man konnte seine Stimme kaum am Grabe vernehmen, und nie habe ich die Leichenfeier, diese erhabene und rührende Ceremonie, in ein so kaltes Wortgepränge verwandeln hören.
    Ich näherte mich dem Grabe. Der Sarg stand auf dem Boden. Auf demselben war der Name und das Alter des Verstorbenen geschrieben – »Georg Somers, 26 Jahr alt.« Die arme Mutter kniete, mit Hülfe Anderer, zu den Häupten desselben nieder. Ihre welken Hände waren wie zum Gebete gefaltet; allein ich konnte an dem schwachen Wiegen des Körpers und an einer krampfhaften Bewegung der Lippen sehen, daß sie mit dem zerrissenen Herzen einer Mutter auf die letzten Ueberreste ihres Sohnes hinblickte.
    Man traf jetzt Anstalten, den Sarg zur Erde zu bestatten. Es entstand jene geschäftige Bewegung, welche in die Gefühle des Schmerzes und der Liebe so rauh eingreift; Befehle wurden in dem kalten Geschäftstone gegeben, die Spaten in den Sand und Kies gestoßen, was, an dem Grabe derer, die wir lieben, von allen Tönen der erschütterndste ist. Das Geräusch umher schien die Mutter aus einem traurigen Nachdenken zu wecken. Sie erhob ihre gläsernen Augen und blickte mit einer kraftlosen

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