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Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)

Titel: Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Washington Irving
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Wildheit umher. Als die Männer mit Stricken herbeikamen, um den Sarg in das Grab hinunterzulassen, rang sie die Hände und überließ sich dem äußersten Schmerze. Die arme Frau, welche bei ihr war, nahm sie bei dem Arm, suchte sie von der Erde aufzuheben, und ihr einige tröstende Worte zuzuflüstern. – »Nicht doch – nicht doch – nehmt es euch doch nicht so sehr zu Herzen.« Sie konnte indessen nur den Kopf schütteln und die Hände ringen, wie Jemand, der nicht zu trösten ist.
    Als man die Leiche in die Erde senkte, schien das Knarren der Seile die Unglückliche zur krampfhaften Verzweiflung zu bringen; als aber, bei einem zufälligen Hinderniß, der Sarg schwankte, äußerte sich die ganze mütterliche Zärtlichkeit; als ob den, der weit hinaus über alle irdische Leiden war, noch irgend ein Leid treffen könnte.
    Ich konnte es nicht länger mit ansehen – mein Herz schwoll empor – meine Augen füllten sich mit Thränen – mir war, als ob ich eine grausame Rolle spielte, daß ich bei diesem Schauspiele mütterlichen Kummers stände und müßig darauf hinblickte. Ich ging nach einer andern Gegend des Kirchhofs hin, wo ich so lange blieb, bis das Leichengefolge sich zerstreut hatte.
    Als ich die Mutter langsam und mühselig sich von dem Grabe entfernen sah, wo sie die Ueberreste alles dessen zurückließ, was ihr auf Erden theuer war, und in das Schweigen und die Dürftigkeit zurückkehrte, bangte mein Herz um sie. Was sind, dachte ich, die Unglücksfälle der Reichen! sie haben Freunde, die sie trösten – Vergnügungen, die sie zerstreuen – eine Welt, die sie belustigt und sie ihre Leiden vergessen macht. Was ist der Kummer der jungen Leute! ihr emporstrebendes Gemüth schließt bald die Wunde – ihr aufstrebender Geist erhebt sich bald von dem Drucke wieder – ihre frischen und geschmeidigen Neigungen umranken bald neue Gegenstände. Aber der Kummer der Armuth, die keine äußere Trostmittel besitzt – der Kummer des Alters, für welches das Leben aufs höchste nur ein Wintertag ist, und das keinen Nachwuchs von Freude zu erwarten hat – der Kummer einer Wittwe, alt, einsam, dürftig, einen einzigen Sohn, den letzten Trost ihres Alters, betrauernd; dies ist in der That ein Kummer, der in uns das Gefühl erweckt, daß kein Trost mehr möglich ist.
    Es verging einige Zeit, ehe ich den Kirchhof verließ. Auf dem Heimwege begegnete ich der Frau, welche sich als tröstende Freundin benommen hatte; sie kam so eben von der einsamen Wohnung zurück, wohin sie die Mutter begleitete, und ich hörte von ihr einiges Nähere über den rührenden Auftritt, von dem ich Zeuge gewesen war.
    Die Eltern des Verstorbenen wohnten von Kindheit an in dem Dorfe. Sie hatten eins der nettesten Bauerhäuser innegehabt, sich durch verschiedene ländliche Beschäftigung und mit Hülfe eines kleinen Gartens, anständig und bequem ernährt, und ein glückliches, tadelloses Leben geführt. Sie hatten einen Sohn, der aufgewachsen war, um die Stütze und der Stolz ihres Alters zu werden. »O Herr!« sagte die gute Frau: »es war ein so artiger Bursch, so sanft, so freundlich gegen Jeden, der ihn kannte, so gehorsam gegen seine Eltern! Es that Einem im Herzen wohl, ihn am Sonntag in seinen besten Kleidern, so schlank, so gerade, so munter daher kommen zu sehen, wie er seine alte Mutter zur Kirche führte – denn sie lehnte sich immer lieber auf Georg’s Arm als auf den ihres Eheherrn, und die arme Frau konnte wohl stolz auf ihn sein, denn es gab keinen hübschern Burschen in der Gegend rund umher.«
    Unglücklicherweise ließ sich ihr Sohn, während eines schlechten und für den Landmann sehr mühseligen Jahres, dazu bewegen, sich auf eines der kleinen Fahrzeuge zu vermiethen, das einen benachbarten Fluß befuhr. Er war noch nicht lange bei dieser Beschäftigung gewesen, als er von einem Preß-Commando in die Falle gelockt und auf die See weggeführt wurde. Seine Aeltern erhielten Nachricht von seiner Ergreifung, erfuhren dann aber nichts weiter von ihm. Ihre Hauptstütze war dahin. Der Vater, der schon kränklich war, ward muthlos und tiefsinnig, und sank in sein Grab. Die Wittwe, welche in ihrem Alter und ihrer Schwäche allein zurückblieb, konnte sich nicht länger selbst erhalten, und kam auf die Liste der Armen des Kirchspiels. Stets zeigte sich indessen in dem ganzen Dorfe ein wohlwollendes Gefühl und eine gewisse Ehrfurcht gegen sie, als gegen eine der ältesten Bewohnerinnen. Da Niemand sich zu dem Hause meldete,

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