Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
und den Geist in einen Zustand geheiligten erhöhten Genusses empor trägt. Die Kirchentexte sind um diese Zeit ungemein zart und begeisternd. Sie beziehen sich auf die schönen Erzählungen von der Entstehung unseres Glaubens und den Hirtenauftritten, welche die Ankündigung desselben begleiteten. Sie nehmen während des Adventsmonats allmählig an Gluth und Pathos zu, bis sie an dem Morgen, welcher den Menschen Friede und Freude brachte, in vollen Jubel ausbrechen. Ich kenne keine großartigere Wirkung der Musik auf das Gefühl, als wenn ich das volle Chor und die tönende Orgel einer Weihnachtsmusik in einer Cathedrale aufführen höre, welche jeden Winkel des gewaltigen Gebäudes mit siegender Harmonie erfüllt.
Es ist auch eine schöne aus jenen Zeiten herstammende Einrichtung, daß dieses Fest, welches die Verkündigung der Religion des Friedens und der Liebe feiert, Veranlassung geworden ist, die Familienkreise zu vereinigen und die Bande verwandter Herzen, welche die Angelegenheiten und Vergnügungen und Bekümmernisse der Welt beständig zu lösen streben, wieder enger aneinander zu knüpfen; die Kinder der Familie, welche in das Leben hinaus verschlagen worden und weit auseinander gewandert sind, zurückzurufen, sie wieder um den väterlichen Herd, wie an einen Sammelplatz süßer Neigungen zu versammeln, um da, unter dem liebevollen Andenken der Kindheit, wieder jung zu werden und sich wieder zu lieben.
Es liegt in der Jahreszeit selbst etwas, das dem Weihnachtsfeste einen Reiz verleiht. Zu anderen Zeiten bereiten die bloßen Schönheiten der Natur uns schon einen großen Theil unserer Vergnügungen. Unsere Gefühle streifen hinaus und verbreiten sich auf der sonnigen Landschaft, und wir »leben draußen und überall.« Der Gesang des Vogels, das Murmeln des Baches, der wehende Duft des Frühlings, die sanfte Wollust des Sommers, der goldene Prunk des Herbstes; die Erde mit ihrem Gewande von erfrischendem Grün, der Himmel mit seinem dunkeln, herrlichen Blau und seiner Wolkenpracht; alles dieß erfüllt uns mit stummem und doch lebendigem Entzücken, und wir schwelgen in der Wollust der bloßen Sinnlichkeit. Aber in der Tiefe des Winters, wo die Natur aller ihrer Reize beraubt liegt und in ihr Leichentuch von gehäuftem Schnee gehüllt ist, wenden wir uns zu geistigen Quellen, um daraus Vergnügen zu schöpfen. Während das Wüste und Oede der Landschaft, die kurzen düstern Tage und die dunkeln Nächte unsere Wanderungen beschränken, halten sie unsern Geist auch ab, umherzustreifen, und machen, daß wir die Vergnügungen eines gesellschaftlichen Kreises desto mehr schätzen lernen. Unsere Gedanken drängen sich mehr zusammen; unser freundliches Mitgefühl wird um so stärker angeregt. Wir fühlen den Reiz unserer gegenseitigen Gesellschaft desto mehr, und werden dadurch, daß wir in unserm Genuß auf einander angewiesen sind, um so mehr zu einander hingezogen. Das Herz spricht zu dem Herzen; und wir schöpfen unser Vergnügen aus dem tiefen Borne des lebendigen Wohlwollens, welcher in den stillen Behältern unsers Herzens verborgen liegt; und der, wenn man aus ihm schöpft, den reinsten Stoff häuslicher Glückseligkeit gewährt.
Die tiefe Dunkelheit draußen macht, daß das Herz sich erweitert, wenn man das Zimmer betritt, das mit der Gluth und Wärme des abendlichen Feuers erfüllt ist. Der röthliche Feuerschein verbreitet einen künstlichen Sommer und Sonnenglanz in dem Zimmer, und erhellt jedes Gesicht zu einem freundlichen Willkommen. Wo gestaltet sich das biedere Antlitz der Gastfreundlichkeit zu einem gemüthlichern, herzlichern Lächeln? – wo ist der schüchterne Blick der Liebe lieblicher beredt als bei dem Winterkamin? und wenn das hohle Sausen des winterlichen Windes durch den Saal tönt, an der entfernten Thüre rasselt, um die Fenster pfeift, und den Schornstein herabbrauset, was kann angenehmer sein, als das Gefühl der ruhigen, unbesorgten Sicherheit, womit wir in dem behaglichen Zimmer umher und auf die Scene häuslicher Fröhlichkeit hinblicken?
Die Engländer haben, vermöge der bei ihnen in allen Ständen vorherrschenden Anhänglichkeit an ländliche Sitte, jene Lustbarkeiten an festlichen Tagen, welche die Stille des Landlebens auf eine angenehme Art unterbrechen, stets geliebt; sie beobachteten, in früherer Zeit, mit besonderer Strenge alle religiösen und gesellschaftlichen Weihnachtsgebräuche. Es ist begeisternd, selbst die trockenen Einzelnheiten zu lesen, welche einige
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