Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Sogar das Krähen des Hahnes, wenn man diesen zuweilen in der tiefen Ruhe des Landes hört, »wie er seinen befiederten Gattinnen die Stunde der Nacht verkündigt,« schien den gemeinen Leuten die Annäherung dieses heiligen Festes zu verkünden:
Man sagt, daß immer, wenn die Zeit sich naht,
Wo die Geburt des Heilands wird gefeiert,
Der Morgen-Vogel singt die ganze Nacht;
Dann darf kein Geist umhergehn, sagen sie,
Die Nächte sind gesund – kein Stern kann schaden,
Kein Elfe faht, noch mögen Hexen zaubern,
So heilig ist und gnadenvoll die Zeit. [Fußnote: Shakspeare.]
Welches Herz könnte bei der allgemeinen, sich in dieser Zeit rührenden Aufforderung zur Fröhlichkeit, dem raschen Treiben aller Geister, der Regung aller wohlwollenden Triebe unempfindlich bleiben? Es ist in der That die Zeit aller erwachenden Gefühle – die Zeit, wo nicht allein das Feuer der Gastfreiheit in dem Saal, sondern auch die gemüthliche Flamme des Wohlwollens im Herzen auflodern soll.
Die Auftritte früher Liebe steigen lebendig empor über die unfruchtbare Oede der Jahre, und der Gedanke an die Heimath, mit dem Dufte häuslicher Freude vermischt, belebt den ermattenden Geist, wie der arabische Lufthauch zuweilen die Frische der entfernten Felder zu dem müden Pilger in der Wüste hinüberträgt.
Obgleich für mich, den Fremden und Gast in diesem Lande – kein geselliger Herd glüht, keine gastfreie Hütte mir ihre Thüre öffnet, noch der warme Druck der Freundschaft mich an der Schwelle bewillkommt – so fühle ich doch den Einfluß dieser Zeit aus den glücklichen Blicken Derer, die um mich sind, auch in meine Seele strahlen. Gewiß, die Glückseligkeit spiegelt sich zurück, wie das Licht des Himmels; und jedes vom Lächeln verklärte, von unschuldiger Fröhlichkeit glühende Antlitz ist ein Spiegel, welcher Anderen die Strahlen eines erhabenen, immer frischen Wohlwollens zusendet. Wer sich finster von dem Anblicke der Glückseligkeit seiner Mitmenschen abwenden, und düster und in sich gekehrt in seiner Einsamkeit dasitzen kann, wenn Alles um ihn her fröhlich ist, mag wohl Augenblicke großer Erregung und selbstischer Zufriedenheit haben; er entbehrt aber ganz der geistigen und geselligen Mitgefühle, welche den Reiz der fröhlichen Weihnachten ausmachen.
Die Landkutsche.
Omne bene,
Sine poena,
Tempus est ludendi.
Venit hora
Absque mora
Libros deponendi.
Altes Schulferien-Lied .
In den vorhergehenden Blättern habe ich einige allgemeine Bemerkungen über die Weihnachtsfeierlichkeiten in England gemacht, und bin versucht, sie durch einige Anecdoten von einer Weihnachtszeit, die ich einmal auf dem Lande zugebracht, zu erläutern; bei dem Durchlesen derselben lade ich jedoch die Leser sehr höflich ein, den Ernst der Weisheit bei Seite zu legen und den echten Feiertagsgeist anzunehmen, der mit der Thorheit Nachsicht hat und nur Unterhaltung sucht.
Während einer Decemberreise in Yorkshire, fuhr ich, an dem Tage vor Weihnachten, eine lange Strecke in einem der öffentlichen Wagen. Die Kutsche war, sowohl innen als außen, ganz mit Reisenden besetzt, die, nach ihren Reden, meistens auf dem Wege nach den Wohnungen ihrer Verwandten oder Freunde begriffen waren, um das Weihnachts-Mittagsessen zu verzehren. Auch war die Kutsche mit Körben voll Wild und mit Schachteln und Körbchen voll Leckerbissen beladen; und Hasen hingen mit ihren langen Ohren am Kutschersitze umher, Geschenke von entfernten Freunden zum bevorstehenden Feste. Ich hatte drei hübsche, rothwangige Schulknaben zu Mitgefährten im Wagen, Bursche, ganz von der körnigen Gesundheit und dem männlichen Geiste, welche ich an den Kindern in diesem Lande bemerkt habe. Sie kehrten in voller Lust für die Feiertage nach Hause zurück, und versprachen sich eine Welt von Freuden. Es war ergötzlich, den riesenhaften Vergnügungsplänen der kleinen Schelme zuzuhören, und den unglaublichen Thaten, welche sie während der sechswöchentlichen Befreiung von der verhaßten Sclaverei der Bücher, der Ruthe und des Schulmeisters, verrichten wollten. Sie freuten sich schon im Voraus auf das Zusammentreffen mit der Familie und den Hausbewohnern, selbst bis auf die Katze und den Hund hinab; und auf das Vergnügen, das sie ihren kleinen Schwestern durch die Geschenke machen würden, womit sie sich die Taschen vollgestopft hatten; was sie aber mit der meisten Ungeduld zu erwarten schienen, war das Wiedersehen Bantams, der, wie ich fand, ein Klepper im väterlichen Hause war, und
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