Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
ihren Reden nach, mehr Tugenden besaß, als irgend ein Roß seit den Tagen des Bucephalus. Wie der traben, wie der laufen und was er springen konnte – es gab keine Hecke in der ganzen Gegend, über die er nicht setzte.
Sie standen unter der besondern Aufsicht des Kutschers, an den sie, sobald sich irgend eine Gelegenheit fand, ein Heer von Fragen richteten, und ihn für einen der besten Bursche in der Welt ausgaben. Auch konnte ich nicht umhin, das mehr als gewöhnlich geschäftige Ansehen und die wichtige Miene des Kutschers zu bemerken, der seinen Hut etwas auf einer Seite trug, und einen großen Strauß von Weihnachtsgrün in dem Knopfloche seines Rocks stecken hatte. Er ist immer eine Person, die ihre vielen Sorgen und Geschäfte hat; ganz besonders aber ist er dieß in dieser Zeit, wo er, des großen Austausches der Geschenke wegen, eine Menge von Aufträgen auszurichten hat. Und hier wird es meinen ungereisten Lesern vielleicht nicht unangenehm sein, eine Skizze zu finden, die als eine allgemeine Schilderung dieser sehr zahlreichen und wichtigen Classe von Geschäftsleuten dienen kann, welche eine ihnen eigenthümliche Kleidung, Art und Weise, Sprache und Aussehen haben, und die die ganze Brüderschaft bezeichnen, so daß, wo man nur einen englischen Landkutschen-Fuhrmann sieht, man ihn nicht wohl als zu einem anderen Gewerbe gehörig betrachten kann.
Er hat gewöhnlich ein breites volles Gesicht, sonderbar roth gesprenkelt, als ob das Blut durch grobe Nahrungsstoffe in jedes Gefäß der Haut getrieben worden wäre; er ist, durch häufigen Genuß von Malzgebräu, zu einem hübschen Umfang gediehen, und seine Dicke wird durch eine Menge von Röcken, in die er wie ein Kehlkopf begraben ist, und wovon der obere ihm bis an die Fersen geht, noch vergrößert. Er trägt einen Hut mit breiter Krämpe und niedrigem Kopfe; ein dickes farbiges Halstuch, das künstlich geknotet und in den Busen eingezogen ist, und hat zur Sommerzeit einen großen Blumenstrauß im Knopfloche, sehr wahrscheinlich das Geschenk eines verliebten Landmädchens. Seine Weste ist gewöhnlich von irgend einer hellen Farbe, gestreift, und seine Beinkleider gehen weit über die Kniee hinab, wo sie an ein Paar Klappstiefeln stoßen, die ihm ungefähr bis auf die Hälfte des Beines reichen.
Diese ganze Tracht wird stets in großer Ordnung erhalten; er ist stolz darauf, seine Kleider immer von trefflichen Stoffen zu haben; und man bemerkt an ihm, trotz der äußerlichen Rohheit seiner Erscheinung, stets eine gewisse Nettigkeit und Sauberkeit, welche einem Engländer beinahe angeboren sind. Er erfreut sich auf der Landstraße einer großen Wichtigkeit und Bedeutsamkeit; hat häufige Berathungen mit den Hausfrauen in den Dörfern, welche ihn wie einen äußerst zuverlässigen und besonnenen Mann betrachten; und er scheint mit jedem helläugigen Landmädchen in einem guten Verständniß zu sein. Sobald er an dem Orte ankommt, wo die Pferde gewechselt werden, wirft er die Zügel mit einer gewissen Art von sich, und überläßt dem Hausknecht die Sorge für die Thiere, da es sein Amt nur ist, von einer Station nach der andern zu fahren. Wenn er vom Bocke gestiegen ist, steckt er die Hände in die Taschen seines Ueberrocks, und wiegt sich auf dem Hofe mit einer wahren Herrschermiene umher. Hier umgibt ihn gewöhnlich ein bewundernder Haufe von Hausknechten, Stalljungen, Schuhputzern und jenen namenlosen Anhängseln, welche Gasthöfe und Schenken belagern, Gänge machen, und alle Arten von Diensten verrichten für das Vorrecht, sich von dem Abfall in der Küche und dem, was in dem Schenkzimmer daneben fließt, zu ernähren. Diese betrachten ihn alle wie ein Orakel; speichern sich sorgfältig seine Kunstausdrücke auf; wiederholen seine Aussprüche über Pferde und ähnliche Gegenstände der Reitknechts-Kunde; und bemühen sich vor allem, sein Aeußeres und seine Haltung nachzuahmen. Jeder Lump, der nur einen Rock auf dem Leibe hat, steckt seine Hände in die Taschen, wiegt sich bei seinem Gange, spricht in Kunstausdrücken, und ist ein Kutscher im Embryo.
Vielleicht war es eine Wirkung der angenehmen Heiterkeit, die in meinem Gemüthe herrschte, daß ich auf der ganzen Reise in jedem Gesichte Fröhlichkeit zu lesen glaubte. Eine Landkutsche bringt indessen immer Leben mit sich, und setzt, während sie dahinrollt, die ganze Welt in Bewegung. Wenn das Horn am Eingange des Dorfes erklingt, so entsteht eine allgemeine Erregung. Einige eilen fort, ihre
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