Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
Alterthumsforscher von der sonderbaren Fröhlichkeit, den abenteuerlichen Aufzügen und der gänzlichen Hingebung zu Lust und ungebundener Geselligkeit gegeben haben, womit diese Feier begangen wurde. Es war, als ob jede Thüre dabei sich öffnete, jedes Herz sich aufschlösse. Es brachte den Bauern und den Pair einander näher und vermischte alle Stände in einen warmen, edeln Erguß der Freude und Gemüthlichkeit. Die alten Hallen der Burgen und Herrenhäuser ertönten von der Harfe und dem Weihnachtsliede, und ihre gewaltigen Tafeln erseufzten unter der Last der Gastfreiheit. Selbst die gemeinste Bauerhütte bewillkommte die festliche Jahreszeit mit grünem Schmuck von Lorbeern und Stechpalmen – der Schein des erfreulichen Feuers schimmerte durch die Fensterladen, und lud den Fremden ein, die Thürklinken aufzuheben, und sich dem schwatzenden Haufen anzuschließen, der um den Herd saß und den langen Abend durch sagenhafte Schwänke und oft erzählte Weihnachtsgeschichten verkürzte.
Eine der am wenigsten angenehmen Wirkungen der Verfeinerung der neuern Zeit ist die Zerstörung, welche sie unter den herzlichen alten Festtagsgebräuchen angerichtet hat. Sie hat die scharfen Umrisse und lebendigen Formen dieser Verschönerungen des Lebens gänzlich verwischt, und die Geselligkeit zu einem glatteren, glänzenderen, aber gewiß weniger charakteristischen Verkehr herabgebracht. Viele von den Weihnachtsspielen und Festlichkeiten sind gänzlich verschwunden, und, wie des alten Falstaff’s Xeres-Sekt, zu Gegenständen des Nachdenkens und des Streits unter den Erläuterern geworden. Sie blühten in Zeiten voller Geist und Fröhlichkeit, als die Leute das Leben auf eine rohe, aber herzliche und kräftige Weise genossen; in wilden, malerischen Zeiten, welche der Dichtkunst ihren reichsten Stoff und dem Drama die anziehendste Mannichfaltigkeit von Charakteren und Sitten geliefert haben. Die Welt ist weltlicher geworden. Es gibt mehr Zerstreuung und weniger Vergnügen. Die Freude hat sich zu einem breitern, aber auch seichtern Strome ausgedehnt; es hat manche jener tiefen ruhigen Bette verlassen, worin es sonst durch den stillen Busen des häuslichen Lebens lieblich dahinfloß. Die Gesellschaft hat einen aufgeklärtern und gebildetern Ton angenommen, dagegen aber mehrere von ihren stark hervortretenden, örtlichen Eigenthümlichkeiten, ihren häuslichen Gesinnungen, ihren ehrlichen Vergnügungen am Herde eingebüßt. Die sagenhaften Gebräuche des goldherzigen Alterthums, seine lehnshafte Gastfreiheit und gutsherrlichen Schwelgereien sind mit den Ritterburgen und den stattlichen Herrenhäusern verschwunden, in denen sie gefeiert wurden. Sie paßten sich zu der düstern Halle, der großen eichengetäfelten Gallerie und dem mit Tapeten behängten Gastzimmer, schicken sich aber nicht mehr für die hellen, prachtvollen Säle und die bunten Putzgemächer der neueren Villa.
So sehr jedoch die Weihnachten um ihre alten und festlichen Ehren verkürzt sind, so bleibt diese Zeit in England doch noch immer voll der herrlichsten Aufregungen. Es ist erfreulich, zu sehen, wie das Gefühl der Häuslichkeit, welches in dem Herzen eines jeden Engländers einen so ausgezeichneten Platz behauptet, ganz in Bewegung geräth. Die Anstalten, welche überall getroffen werden, um die gesellige Tafel in Stand zu setzen, welche Freunde und Verwandte abermals vereinigen soll; die Geschenke von Leckerbissen, welche weggesandt werden und ankommen, diese Zeichen der Achtung, die alle wohlwollenden Gefühle neu beleben; die immergrünen Sträucher, welche in den Häusern und Kirchen befestigt werden, – Sinnbilder des Friedens und der Freude; alles dieses hat die wohlthuendste Einwirkung auf das Hervorrufen angenehmer Gedankenverbindungen, und auf die Erregung wohlwollender Gefühle. Selbst der Gesang der Weihnachtssänger nimmt sich, so roh auch diese Art Meistersängerei sein mag, im Ohre des Spätwachenden in einer Winternacht wie eine vollkommene Harmonie aus. Wenn ich durch sie in der stillen feierlichen Stunde geweckt worden bin, »wo der tiefe Schlaf den Menschen befällt,« habe ich mit stillem Vergnügen ihnen zugehört, und wenn ich zugleich an die heilige, fröhliche Veranlassung dachte, habe ich beinahe den himmlischen Chorgesang zu hören geglaubt, welcher der Menschheit Frieden und Freude verkündete.
Wie herrlich verwandelt doch die Einbildungskraft, wenn diese geistigen Einwirkungen sie beschäftigen, Alles in Melodie und Schönheit.
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