Gottfried Crayon's Skizzenbuch (German Edition)
fort; Einer auf dem Klepper, mit dem Hund vor ihm herspringend und bellend, und die beiden Anderen den Johann an beiden Händen haltend; beide zu gleicher Zeit sprechend, und ihn mit Fragen über »zu Hause« und mit Schulanecdoten bestürmend. Ich sah ihnen mit einem Gefühl nach, von dem ich nicht weiß, ob Vergnügen oder Traurigkeit darin vorherrschte; denn ich gedachte der Tage, wo ich, wie sie, weder Sorgen noch Schmerz kannte, und ein freier Tag der Gipfel irdischer Glückseligkeit für mich war. Wir hielten einige Augenblicke nachher an, um die Pferde zu tränken, und als wir unsere Reise fortsetzten, ließ uns eine Krümmung der Straße ein nettes Landhaus erblicken. Ich konnte deutlich die Gestalten einer Dame und zweier jungen Mädchen unter der Säulenhalle entdecken, und sah meine kleinen Cameraden mit Bantam, Carlo und dem alten Johann den Fahrweg entlang ziehen. Ich lehnte mich zu dem Kutschenfenster hinaus, und hoffte die glückliche Bewillkommung mit ansehen zu können, aber ein Gebüsch entzog sie meinem Blicke.
Am Abend erreichten wir ein Dorf, wo ich zu übernachten beschlossen hatte. Als wir in den großen Thorweg des Gasthofes fuhren, sah ich auf der einen Seite das Licht eines hellen Küchenfeuers durch das Fenster strahlen. Ich trat hinein und bewunderte zum hundertsten Male dieses Gemälde der Bequemlichkeit, Nettigkeit und gerader, ehrlicher Freude, – die Küche eines englischen Gasthofes. Sie war von geräumiger Ausdehnung, rundum mit hellglänzendem Kupfer und Zinngeschirr behängt, und hier und da mit Weihnachtsgrün verziert. Schinken, Zungen und Speckseiten hingen von der Decke herab; ein Bratenwender rasselte unaufhörlich neben dem Herde, und eine Uhr tickte in einem Winkel. Ein wohlgescheuerter tannener Tisch nahm die eine Seite der Küche ein, mit einem kalten Stück Rindfleisch und anderer derber Kost darauf, über welche zwei schäumende Krüge Ale Wache zu halten schienen. Reisende aus der niedern Classe schickten sich an, auf diese kräftige Speise einen Angriff zu machen, während Andere, rauchend und schwatzend bei ihrem Ale, auf zwei eichenen Schemeln mit hohen Lehnen, neben dem Feuer saßen. Flinke Hausmädchen liefen ab und zu, nach den Anweisungen einer frischen thätigen Hausfrau; wobei sie jedoch dann und wann einen Augenblick wahrnahmen, um ein flüchtiges Wort mit der Gruppe, die um das Feuer saß, zu wechseln, oder mit ihr recht herzlich zu lachen. Der Auftritt verwirklichte vollständig des armen Robin’s bescheidenen Begriff von der Behaglichkeit eines Winterabendes:
Jetzt ist der Baum des Laubhut’s baar,
Und grüßt des Winters Silberhaar;
Ein lust’ger Wirth, ‘ne Wirthin schöne,
Ein Krug mit Ale, der Trinksprüch Töne,
Tabak und gutes Feuer bringen
Uns Freude jetzt vor allen Dingen. [Fußnote: Des armen Robin’s Kalender 1684.]
Ich war noch nicht lange in dem Wirthshause, als eine Postchaise an der Thüre vorfuhr. Ein junger Herr stieg aus, und bei dem Schein der Lampen erblickte ich ein Gesicht, das mir bekannt vorkam. Ich trat vor, um es näher zu sehen, als er mich ebenfalls bemerkte. Ich hatte mich nicht geirrt; es war Frank Bracebridge , ein munterer, wohlgemuther junger Mann, mit dem ich einst auf dem Festlande gereist war. Unser Willkomm war überaus herzlich, denn das Gesicht eines alten Reisegefährten erinnert immer an tausend angenehme Auftritte, sonderbare Abenteuer und vortreffliche Späße. Alle diese bei einer flüchtigen Zusammenkunft in einem Gasthofe zu erörtern, war unmöglich; und da er hörte, daß meine Zeit nicht drängte und daß ich bloß eine Beobachtungsreise machen wollte, so bestand er darauf, daß ich einen oder zwei Tage auf dem Landsitze seines Vaters, nur wenige Meilen weiter, zubringen sollte, wohin er eben zu gehen im Begriff war, um dort während der Feiertage zu verweilen. »Es ist besser, als in einem Wirthshause ein einsames Weihnachts-Mittagsessen zu verzehren,« sagte er: »und ich kann Euch eine herzliche Aufnahme, vielleicht ein wenig im alten Style, versprechen.« Seine Gründe waren einladend, und ich muß gestehen, daß die Zurüstungen, welche ich zur allgemeinen Festlichkeit und zum geselligen Genusse machen sah, mir meine Einsamkeit ziemlich fühlbar machten. So nahm ich denn ohne Weiteres seine Einladung an; die Chaise fuhr am Thore vor, und nach wenigen Augenblicken war ich auf dem Wege nach dem Stammhause der Bracebridge.
Weihnachtsheiligabend.
Sankt Franz, und du, Sankt Benedik,
Bewahrt dieß
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