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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Sie sehen aus, als könnten Sie einen gebrauchen.«
    »Gebrauchen kann ich ihn, weiß Gott«, meinte Cassi. »Aber ich weiß nicht, ob ich mir die Zeit nehmen soll.«
    »Auf Anordnung des Arztes«, verfügte Joan und stand auf. Während sie über den Korridor gingen, setzte sie hinzu: »Ich hatte auch mit Bentworth zu tun, als ich hier anfing, und ich habe die gleichen Erfahrungen gemacht wie Sie. Ich weiß also, wie Sie sich fühlen.«
    »Ehrlich?« fragte Cassi ermutigt. »In der Konferenz wollte ich es nicht zugeben, aber der Colonel hat mir regelrecht Angst eingejagt.«
    Joan nickte. »Bentworth bedeutet immer Ärger. Er ist bösartig und gerissen. Irgendwie gelingt es ihm sofort, die Achillesferse eines Menschen zu finden. Diese Gabe, kombiniert mit der aufgestauten Wut und seiner Feindseligkeit, kann sich verheerend auswirken.«
    »Er hat mir das Gefühl gegeben, nicht einen Pfifferling wert zu sein«, sagte Cassi.
    »Als Psychiater«, korrigierte Joan.
    »Als Psychiater«, stimmte Cassi zu. »Aber das ist immerhin mein Beruf. Vielleicht finde ich irgendwo einen ähnlich gelagerten Fall, in den ich mich einlesen kann.«
    »Darüber gibt es jede Menge Literatur«, sagte Joan. »Viel zuviel. Aber es ist im Grunde dasselbe wie mit dem Radfahren. Man kann jahrelang alles über Fahrräder lesen, aber wenn man dann eines Tages eins davon besteigt und zu fahren versucht, schafft man es doch nicht. Psychiatrie ist sowohl Prozeß als auch Wissenschaft, zu gleichen Teilen. Kommen Sie, jetzt genehmigen wir uns erst mal den Kaffee.«
    Cassi zögerte. »Vielleicht sollte ich doch lieber an meine Arbeit gehen.«
    »Sie haben doch jetzt nicht gleich Sprechstunde, oder?« fragte Joan.
    »Nein, aber …«
    »Dann kommen Sie mit.« Joan ergriff sie am Arm, und sie gingen weiter.
    Cassi ließ sich mitziehen. Sie wollte sich ein wenig mit Joan unterhalten. Es war mindestens so aufbauend wie lehrreich. Vielleicht würde Bentworth jetzt zu einem normalen Gespräch bereit sein, nachdem er eine ruhige Nacht verbracht hatte.
    »Ich will Ihnen mal was über Bentworth sagen«, begann Joan, als hätte sie Cassis Gedanken gelesen. »Jeder, den ich kenne und der sich um ihn gekümmert hat, war überzeugt, ihn heilen zu können, inklusive meiner Person. Aber Grenzfälle im allgemeinen und Colonel Bentworth im besonderen lassen sich nicht heilen. Sie lernen vielleicht, immer besser zu kompensieren, aber sie werden nicht geheilt.«
    Als sie das Schwesternzimmer passierten, legte Cassi das Aufnahmeblatt des Colonels in einen Korb und erkundigte sich, warum man sie ausgerufen hatte. »Es war Dr. Robert Seibert«, sagte die Helferin. »Er bat Sie, so schnell wie möglich zurückzurufen.«
    »Wer ist Dr. Seibert?« fragte Joan.
    »Ein Kollege aus der Pathologie«, antwortete Cassi.
    »So schnell wie möglich – hört sich an, als sollten Sie ihn jetzt gleich anrufen.«
    »Würde es Ihnen was ausmachen?«
    Joan schüttelte den Kopf, und Cassi trat um das Wandpult herum ans Telefon. Roxanne gesellte sich zu Joan und sagte: »Sie ist ein nettes Mädchen. Ich glaube, sie wird uns hier eine echte Hilfe sein.« Joan nickte. Sie waren sich beide darin einig, daß Cassis Unsicherheit und Nervosität eine Folge ihrer Hingabe und des Eifers waren, mit dem sie sich der neuen Aufgabe widmete.
    »Etwas macht mir allerdings etwas Kopfzerbrechen«, fügte Roxanne hinzu. »Sie scheint sehr verletzlich zu sein.«
    »Ich glaube, sie wird ihren Weg gehen«, sagte Joan. »Und ganz so schwach kann sie ja kaum sein, wenn sie mit Thomas Kingsley verheiratet ist.«
    Roxanne grinste, dann verschwand sie den Gang hinunter. Sie war eine große, elegante schwarze Frau, deren Intellekt und Sinn für Stil Respekt verlangten. Sie hatte ihr Haar in Rastazöpfen getragen, lange bevor es Mode geworden war.
    Während Cassi den Hörer wieder zurück auf die Gabel legte, unterzog Joan sie einer genauen Musterung. Roxanne hatte recht: Cassi wirkte tatsächlich empfindsam und zerbrechlich. Vielleicht lag es an ihrer blassen, beinahe durchscheinenden Haut. Sie war schlank, grazil und nur wenig größer als ein Meter siebzig. Ihr feines Haar wechselte in der Farbe zwischen glänzendem Walnußbraun und blond, je nach Beleuchtung und Blickwinkel. Bei der Arbeit trug sie es lässig hochgesteckt, gehalten von kleinen Kämmen und Nadeln. Wegen ihrer zarten Beschaffenheit fanden aber einige Strähnen immer wieder ihren Weg aus der Frisur und umspielten das Gesicht wie Sommerfäden im Wind.

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