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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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und schob sich zwischen Jerry und das Bett, um sich der Leiche anzunehmen.
    Mr. Hauptmann hatte sich während der ganzen Zeit nicht einmal gerührt.

 
1
     
    »Letzte Nacht hatten wir nur einen Neuzugang«, sagte Cassandra Kingsley und konsultierte ihr vorläufiges Aufnahmeblatt. Es war ihr ganz offensichtlich nicht geheuer, so plötzlich in den Mittelpunkt der frühmorgendlichen Belegschaftskonferenz der Psychiatrischen Station, Clarkson Zwei, gerückt zu sein. »Sein Name ist Colonel William Bentworth. Er ist achtundvierzig Jahre alt, weiß, männlichen Geschlechts, dreimal geschieden, und wurde nach einer Meinungsverschiedenheit in einer Schwulenbar in die Notaufnahme eingeliefert. Er war vollkommen betrunken und dem Personal der Notaufnahme gegenüber außergewöhnlich beleidigend.«
    »Mein Gott!« lachte Jacob Levine, der Oberarzt der Psychiatrie. Er riß sich die Brille mit ihren runden, metallgerahmten Gläsern von der Nase und rieb sich heftig die Augen. »Das erstemal haben Sie nachts Bereitschaftsdienst, und schon geraten Sie an Bentworth!«
    »Feuerprobe bestanden«, verkündete Roxanne Jefferson, die schwarze Oberschwester von Clarkson Zwei, mit der nicht zu spaßen war. »Niemand kann sagen, die Psychiatrie im Boston Memorial sei ein Hort der Langeweile.«
    »Den vollkommenen Patienten habe ich mir jedenfalls anders vorgestellt«, gab Cassi mit einem schwachen Lächeln zu. Die Kommentare von Jacob und Roxanne hatten sie etwas erleichtert und ihr das Gefühl gegeben, daß sie auf Verständnis stoßen würde, wenn sie sich hier vor versammelter Mannschaft zum Narren machte. Bentworth war auf Clarkson Zwei offenbar kein Unbekannter.
    Cassi gehörte noch nicht einmal eine Woche zum Ärzteteam der Psychiatrie. Normalerweise war November nicht gerade der Monat, in dem man in einer neuen Station anfing, aber Cassi hatte erst einige Zeit nach Beginn des medizinischen Jahres im Juli beschlossen, von der Pathologie auf die Psychiatrie umzusatteln, und es war ihr auch nur deswegen möglich gewesen, weil einer der Ärzte nach seinem ersten Jahr hier ebenfalls in eine neue Abteilung wollte. Damals hatte Cassi geglaubt, ungeheures Schwein gehabt zu haben. Jetzt war sie sich dessen nicht mehr so sicher. Der einzige Anfänger unter lauter erfahrenen Kollegen zu sein, war schwieriger, als sie es sich vorgestellt hatte. Die anderen, die hier ebenfalls ihr erstes Jahr Dienst taten, waren schon fast fünf Monate weiter.
    »Ich wette, Bentworth hatte einige ausgesucht höfliche Worte für Sie parat, als Sie aufgetaucht sind«, meinte Joan Widiker, die bereits seit drei Jahren ihren Dienst im Boston Memorial versah und den psychiatrischen Beratungsdienst leitete, voller Anteilnahme.
    »Ich könnte sie nicht wiederholen, ohne rot zu werden«, gab Cassi nickend zu. »Tatsächlich hat er sich geweigert, überhaupt mit mir zu reden, außer um mich seine höchstpersönliche Meinung über Psychiatrie und Psychiater wissen zu lassen. Er bat um eine Zigarette, die ich ihm auch gegeben habe, weil ich dachte, es würde ihm helfen, sich zu entspannen, aber statt sie zu rauchen, hat er sich das glühende Ende immer wieder in den Unterarm gedrückt. Bevor ich jemand zu Hilfe rufen konnte, hatte er sich bereits an sechs verschiedenen Stellen Verbrennungen zugefügt.«
    »Ja, er ist wirklich ein ganz besonderes Früchtchen«, sagte Jacob. »Sie hätten mich rufen lassen sollen, Cassi. Um wieviel Uhr wurde er eingeliefert?«
    »Um halb drei«, antwortete Cassi.
    »Ach so, dann nehme ich alles zurück. Sie haben absolut richtig gehandelt.«
    Alle lachten, einschließlich Cassi. Zum erstenmal schlug ihr nicht mehr jenes feindselige Konkurrenzdenken entgegen, das sie während all der Jahre ihrer Ausbildung begleitet hatte. Und auch die halb respektvollen, halb neidischen Kommentare, die seit ihrer Heirat mit Thomas Kingsley für sie zum täglichen Brot im Boston Memorial gehört hatten, waren verstummt. Cassi hoffte, daß sie eines Tages in der Lage sein würde, sich für diese Unterstützung zu revanchieren.
    »Wie auch immer«, sagte sie und versuchte, sich wieder zu konzentrieren. »Mr. Bentworth, oder vielleicht sollte ich besser sagen: Colonel Bentworth, US Army, eingeliefert mit akuter Alkoholvergiftung, Angstanfällen, die sich mit Depressionen abwechselten, Wutausbrüchen, einer Tendenz zur Selbstverstümmelung und einer acht Pfund schweren Krankengeschichte.«
    Wieder brach die ganze Gruppe in Gelächter aus.
    »Eins muß man

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