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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Insulinschocks.«
    Vage konnte Cassi sich eines Gefühls von Angst und Entsetzen entsinnen.
    Miss Stevens sagte: »Gestern morgen sind Sie operiert und dann wieder auf Ihr Zimmer verlegt worden. Es schien Ihnen ausgezeichnet zu gehen. Wissen Sie denn überhaupt nichts mehr von alldem?«
    »Nein«, antwortete Cassi ohne Überzeugung, denn allmählich kristallisierten sich Bilder aus dem Nebel. Eine schreckliche Empfindung kehrte zurück, der Gedanke, eingeschlossen zu sein in ihrer eigenen Welt, verwundbar und ausgeliefert. Voller Angst – doch wovor?
    »Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen einen Schluck Milch«,schlug Miss Stevens vor. »Und danach versuchen Sie, noch etwas zu schlafen.«
    Als Cassi das nächstemal zur Uhr hochsah, war es bereits nach sieben. Thomas stand neben ihrem Bett, die Augen gerötet, das Gesicht grau vor Müdigkeit.
    »Sie ist vor zwei Stunden zu sich gekommen«, erklärte Miss Stevens von der anderen Seite des Betts aus. »Ihr Blutzucker ist etwas niedrig, aber stabil.«
    »Ich bin so froh, daß es dir besser geht«, sagte Thomas, als er merkte, daß sie aufgewacht war. »Ich habe dir gestern nacht einen Besuch abgestattet, aber du warst nicht ganz bei dir. Wie fühlst du dich?«
    »Eigentlich ganz gut«, antwortete Cassi. Sein Parfüm berührte sie eigenartig, so als hätte der Duft von Yves St. Laurent etwas mit dem grauenhaften Alptraum zu tun. Cassi wußte, daß ein Insulinschock bei ihr immer die wildesten Träume und Vorstellungen auslöste. Aber diesmal hatte sie das Gefühl, daß der Alptraum noch nicht vorüber war.
    Ihr Herzschlag beschleunigte sich, akzentuierte die hämmernden Schmerzen in ihrem Kopf. Es fiel ihr schwer, zwischen Traum und Wirklichkeit zu unterscheiden. Als Thomas wenige Minuten später sagte: »Ich muß jetzt gehen, aber sobald ich mit der Operation fertig bin, komme ich wieder nach dir sehen«, war sie erleichtert.
    Als nächstes wurde sie von Dr. Obermeyer und ihrem Internisten besucht und aus der Intensivstation entlassen. Man wollte sie wieder auf ihr Einzelbettzimmer legen, aber sie veranstaltete ein derartiges Spektakel, daß man ihr schließlich ein Bett in einem Raum mit mehreren anderen Patientinnen gegenüber vom Schwesternzimmer gab. Zwei ihrer neuen Zimmergenossinnen hatten mehrfach gebrochene Knochen und lagen im Streckverband; die dritte, ein Berg von einer Frau, war an der Gallenblase operiert worden und litt große Schmerzen.
    Cassi hatte noch einen anderen, sehr dringlichen Wunsch. Sie wollte nicht mehr intravenös ernährt werden. Dr. McInery versuchte, vernünftig mit ihr zu reden. Er erinnerte sie daran, daß sie gerade erst einen Insulinschock erlitten hatte und ohne die Infusion vielleicht längst in einem irreversiblen Koma läge. Cassi lauschte höflich, blieb aber unzugänglich. Der Infusionsgeräteständer wurde entfernt.
    Gegen halb vier Uhr nachmittags ging es ihr bereits sehr viel besser. Die Kopfschmerzen hatten nachgelassen, waren allerdings noch nicht ganz verschwunden. Wenig später ging die Tür auf, und Joan Widiker spazierte herein. »Ich habe gerade erst gehört, was passiert ist«, sagte sie voller Besorgnis. »Wie geht es Ihnen denn?«
    »Danke, gut«, sagte Cassi, die froh darüber war, ihre Freundin zu sehen.
    »Gott sei Dank! Cassi, wie konnten Sie sich nur selbst eine Überdosis Insulin geben?«
    »Wenn ich das wirklich getan habe, kann ich mich jedenfalls nicht daran erinnern.«
    »Sind Sie sicher?« fragte Joan. »Ich weiß noch, wie erregt Sie wegen Robert waren …« Ihre Stimme erstarb.
    »Was ist mit Robert?« fragte Cassi besorgt. Doch bevor Joan antworten konnte, machte etwas Klick! in Cassis Kopf, und es war, als wäre ein fehlendes Stück in einem Puzzle an seinen Platz gerückt worden. Jetzt fiel ihr wieder ein, daß Robert in der Nacht nach seiner Operation gestorben war.
    »Erinnern Sie sich nicht mehr?« fragte Joan.
    Cassi schien sich in ihrem Bett verkriechen zu wollen. »Jetzt weiß ich es wieder. Robert ist tot.« Sie blickte Joan an, in den Augen der flehentliche Wunsch, daß es nicht wahr sein möge, sondern nur Teil jenes insulinverseuchten Alptraums.
    »Robert ist tot«, pflichtete Joan Cassi ernst bei. »Haben Sie versucht, mit Ihrem Kummer fertig zu werden, indem Sie sich den Tatsachen entziehen wollten?«
    »Ich glaube nicht«, sagte Cassi, »aber vielleicht irre ich mich.«
    Es schien doppelt grausam, eine solche Nachricht zweimal erfahren zu müssen. Hatte sie es einfach verdrängt, oder konnte

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