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Gottspieler

Gottspieler

Titel: Gottspieler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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Als Cassi eintrat, blickte sie kurz vonihrer Schreibmaschine auf, tippte aber sofort weiter, als sie sah, um wen es sich handelte.
    Cassi trat an den Schreibtisch. »Wie geht’s Thomas?«
    »Gut«, sagte Doris, ohne aufzublicken.
    Doris sah Cassi niemals in die Augen. Aber im Lauf der Jahre hatte Cassi sich damit abgefunden, daß ihre Krankheit manche Menschen verunsicherte. Doris war offensichtlich einer davon.
    »Würden Sie ihm bitte sagen, daß ich da bin?« bat Cassi.
    Kurz streiften die braunen Augen der Sprechstundenhilfe über Cassis Kinnpartie, wobei ihre Miene einen Anflug von Gereiztheit bekam. Nicht genug, daß Cassi Anlaß gehabt hätte, sich zu beschweren, aber doch ausreichend, um erkennen zu lassen, daß Doris die Unterbrechung als störend empfand. Statt zu antworten, drückte Doris auf den Knopf ihrer Gegensprechanlage und verkündete, daß Dr. Kingsley-Cassidy eingetroffen sei. Dann beugte sie sich sofort wieder über ihre Schreibmaschine.
    Cassi setzte sich auf die rosafarbene Couch und holte die fotokopierten Artikel über Grenzfälle der Verhaltenspsychologie aus ihrer Tasche. Sie dachte nicht daran, sich von Doris irritieren zu lassen. Sie begann zu lesen, überraschte sich aber immer wieder dabei, wie sie der Sprechstundenhilfe über den Rand der Bogen hinweg kritische Blicke zuwarf.
    Sie fragte sich, warum Thomas sie behielt. Gut, sie war vielleicht tüchtig, aber offenbar auch launisch und reizbar – kaum die Eigenschaften, die sich ein Arzt in seiner Praxis wünschen konnte. Sie war vorzeigbar, aber nicht übermäßig attraktiv. Sie hatte ein breites Gesicht mit derben Zügen und mausgraues Haar, das im Nacken zu einem Knoten gerafft war. Allerdings hatte sie eine gute Figur, wie Cassi zugeben mußte.
    Cassi widmete sich wieder ihrer Lektüre und zwang sich zur Konzentration.
    Über die polierte Platte seines fast leeren Schreibtisches hinweg musterte Thomas seinen letzten Patienten für heute, einen zweiundfünfzigjährigen Rechtsanwalt namens Herbert Lowell. Er hatte Mr. Lowell bereits mehrmals untersucht und sich auch ausführlich mit den Coronararteriogrammen beschäftigt, die unter der Aufsicht von Lowells Kardiologen, Dr. Whiting, entstanden waren. Für ihn lag die Sache klar auf der Hand. Mr. Lowell litt unter Angina pectoris, hatte kürzlich eine kleinere Herzattacke gehabt, und seine Blutzirkulation war beeinträchtigt. Er mußte dringend operiert werden, und das hatte Thomas ihm auch mitgeteilt.
    Aber Mr. Lowell zögerte noch. »Es ist eine so endgültige Entscheidung«, sagte er.
    »Aber dennoch eine Entscheidung, die getroffen werden muß«, sagte Thomas, stand auf und schloß Mr. Lowells Akte. »Unglücklicherweise stehe ich unter Zeitdruck. Sollten Sie noch Fragen haben, können Sie mich ja anrufen.« Thomas ging zur Tür wie ein gewiefter Geschäftsmann, der zu verstehen geben will, daß er die Verhandlungen als abgeschlossen betrachtet.
    »Wäre es nicht ratsam, vielleicht noch eine zweite Meinung einzuholen?« fragte Mr. Lowell zögernd.
    »Mr. Lowell«, sagte Thomas, »Sie können so viele Meinungen einholen, wie Sie wollen. Ich werde Sie mit meinen Untersuchungsergebnissen an Dr. Whiting zurücküberweisen, und Sie können die Sache dann mit ihm besprechen.« Er öffnete die Tür zum Wartezimmer. »Tatsächlich möchte ich Ihnen sogar empfehlen, noch einen weiteren Chirurgen zu befragen, denn ich arbeite nicht gern gegen, sondern mit meinen Patienten. Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden.«
    Damit schloß er die Tür hinter Mr. Lowell, überzeugt, daß der Anwalt den notwendigen Eingriff vornehmen lassen würde. Er setzte sich wieder an seinen Schreibtisch und suchte das Material zusammen, das er für die morgige Große Konferenz benötigte, ehe er die Briefe zu unterzeichnen begann, die Doris ihm hingelegt hatte.
    Als er mit der abgezeichneten Korrespondenz hinausging, war er nicht im geringsten überrascht, Mr. Lowell noch im Wartezimmer vorzufinden. Er bedachte Cassi mit einem knappen Nicken, dann wandte er sich seinem Patienten zu.
    »Dr. Kingsley, ich habe beschlossen, die Operation durchführen zu lassen.«
    »Sehr gut. Wenn Sie Miss Stratford nächste Woche anrufen, wird sie Ihnen einen Termin geben.«
    Mr. Lowell bedankte sich bei Thomas und ging, wobei er leise die Tür hinter sich schloß.
    Cassi hielt ihre Berichte in der Hand, als sei sie mit der Lektüre beschäftigt, in Wirklichkeit aber beobachtete sie ihren Mann, der mit Doris zusammen einige

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