Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Schnurrbarthaaren und blickt in das Licht der Petroleumlampe, das gelb und gezackt, wie eine winzige Märchenkrone hinter dem Glas des Zylinders leuchtet…
»Im Grunde«, sagt Chabert leise, »halten Sie mich für einen Cretin. Ist's nicht so, Chef?« Er schweigt, wartet auf einen Protest. Da dieser nicht kommt, seufzt er, nimmt die Stahlbrille von der Nase und versorgt sie in einem Etui. »Für einen Cretin… ja…« Und seufzt noch einmal. »Der nicht mehr weiß, was er spricht. Ich weiß, ich weiß. Und wahrscheinlich denkt auch der Marschall so. Vielleicht habt ihr beide recht… Aber, mein Kleiner, dieser Kampf ist mir wahrhaftig an die Nieren gefahren, ich habe seither ständig Rückenschmerzen und das Wasserlassen verursacht mir Pein. Die Verantwortung, Chef, die Verantwortung! Alle werden sie jetzt auf mir herumhacken – ich möchte nicht hören, was sie in der Sergeantenmesse über mich sagen. Aber hören Sie, Chef,– ich will gewiß nie mehr mein Kleiner zu Ihnen sagen, und auch mit dem Duzen werd' ich aufhören, denn ich fühle, daß beides Sie reizt.«
Chabert wendet sich nicht um. Er sitzt klein und zusammengesunken auf seinem harten Stuhl und wieder wartet er auf eine Antwort, die nicht kommt.
»Sie wollen mich strafen, weil ich Ihren Schützling, den Lös, schlecht behandelt habe. – Das wird es wohl sein. – Nur müssen Sie bedenken, daß dieser Kampf – dieser Kampf. – Stellen Sie sich vor, hier ist die Ebene…« Der Capitaine nimmt ein Blatt Papier und legt es mitten auf den Tisch. »Da ist der Bergsattel, hier, zwischen den beiden Tintengefäßen… Auf dem Fäßlein, das mit roter Tinte gefüllt ist, hat Lartigue seine Mitrailleusen aufgestellt… Gut placiert, meiner Treu, der Lartigue versteht seine Sache. Nun beginne ich den Aufstieg zum Sattel mit meiner Sektion, so…« Chabert legt einen Federhalter vom Papierbogen bis zum hölzernen Gestell, in dem die beiden Tintenfässer stecken… »Aber kaum habe ich die Steigung begonnen, so beginnt es von allen Seiten zu knallen und die Bicots reiten an. Ich kommandiere ›Absitzen‹ und schicke den Kraschinsky als Verbindungsmann zu den anderen Sektionen, um den Befehl zu übermitteln. Die dritte stand hier«, der Capitaine stellt den rötlichen Becher, der mit Anisette gefüllt war, auf den Bogen, »und da hör ich schon Farny brüllen: ›Absitzen! Niederlegen!‹ Nun ist Sergeant Farny sicher ein fähiger Mann, obwohl er wegen seiner Ordonnanzen immer Händel hat. Warum wartet er nicht, bis ich meinen Befehl wiederholt habe? Ich weiß, er führt seine Sektion – ist gewissermaßen für sie verantwortlich – aber ich bin doch für die ganze Kompagnie verantwortlich…! Nun gut, die Geschichte geht weiter. Die Bicots stürmen an und ich sehe, daß sie zu zweit auf einem Pferd sitzen, ganz nahe heranreiten und ihre Last abwerfen, bevor sie zurückgaloppieren.
Und schon kommandiert der Farny wieder: ›Feuer!‹ Wieder hat er nicht warten können. Ich habe im Taktikkurs gelernt… im Taktikkurs gelernt… ja, dort hab ich's gelernt, denn woher sollt ich's sonst wissen? Ich bin ein bescheidener Mann, war früher ein einfacher Bankangestellter, also ich habe gelernt…«
»Im Taktikkurs…« unterbricht der Chef. Er lehnt an der Mauer neben der geschlossenen Tür, sein Gesicht ist im Schatten und seine Khakiuniform sticht dunkel ab von der hellgeweißten Fläche.
Chabert seufzt. »Du mußt dich nicht lustig machen über deinen Capitaine, mein Kleiner. Das bringt kein Glück.« Seine Stimme ist weich, und es schwingt auch keine Spur von Ärger in ihr… »Ich habe gelernt, daß man stets warten soll, bis sich der Feind entwickelt hat, um dann genaue Dispositionen zum Angriff geben zu können. Ich war mit der Sektion, bei der ich mich befand, der rechte Flügel, Farny das Zentrum und Hassa der linke Flügel… Bin ich klar genug?«
Die Bretter des Fußbodens ächzen, als der Chef mit drei Schritten zum Tisch tritt. Er schenkt die rötlichen Becher voll, ohne sich darum zu kümmern, daß einer von ihnen symbolische Bedeutung hat. Und der Capitaine sagt: »Gesundheit!« und kippt den Inhalt der dritten Sektion.
»Er greift mir vor, der Farny da«, sagt Chabert und stellt den Becher an seinen Platz – an den Rand der Papierbogenebene. »Nun kommt noch Hassa« (die Flasche Anisette), »und bevor ich etwas sagen kann, weist ihm Farny seinen Platz an. Wir sind also im Halbkreis aufgestellt – die zweite Sektion hat Verspätung, sie
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