Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
erscheint erst später auf dem Kampfplatz, und Cattaneo mit seiner Vierten ist in Atchana beim Kalkbrennen. Während ich nun noch nachdenke über die zu treffenden Dispositionen – und du weißt, mein Kleiner, ich bin kein Napoleon, ich brauche Zeit – sehe ich, wie Farny mit seinem Karabiner in der Luft herumfuchtelt… Ich drehe mich um und sehe Hassa zurücklaufen. Und ich habe keinen Verbindungsmann mehr – mein Pferd ist auch fortgeführt worden. Was bleibt mir übrig? Ich beginne zu laufen… Aber was wollen Sie, Chef, ich bin ein wenig beleibt – vier Jahre Schützengraben, drei Jahre Marokko – und jung bin ich auch nicht mehr… Da höre ich eine Stimme brüllen: ›Bajonette 'on!‹ Aha, denke ich, ein Korporal übernimmt das Kommando. Da ist es aber dieser Schweizer, wie heißt er, einen schwierigen Namen hat der Mann, einen Namen – Fistére, ja ja, Fistére – du mußt mich erinnern, mein Kleiner, man muß etwas für den Mann tun… Was meinst du, zwei Bidon Wein und ein Paket Zigaretten? Ja? Einverstanden! – Die andern folgen dem Fistére und schließlich kommt Hassa auch zurück. Dieser Feigling! Degradieren! Unbedingt! Ich habe also bei dieser Sektion nichts mehr zu suchen und laufe zurück – aber die erste Sektion ist nicht mehr dort, wo ich sie gelassen habe. Farny hat sie genommen und macht einen Gegenangriff. Da steh ich also und weiß nicht, was ich mit mir anfangen soll. Ich kann doch nicht meinen Säbel ziehen und – und – Denn erstens hab ich ihn gar nicht, den Säbel, sondern nur meine Ordonnanzpistole, und zweitens… Doch es gibt gar kein zweitens. Ich, der Führer der Kompagnie muß meinen Leuten nachlaufen, um den Gegenangriff nicht zu verpassen… Stell dir das vor, mein Kleiner – pardon Chef! Es war kein sehenswerter Anblick – oder vielleicht doch… Komisch ist es sicher gewesen…« sagt der Capitaine langsam und verträumt, so, als erblicke er sich selbst, wie er in jenem Augenblick ausgesehen haben muß. Der Chef räuspert sich.
    »Wollten Sie etwas sagen…? He, Chef…! Nein? Nun, ich bin natürlich gleich außer Atem, bleibe stehen und warte, bis alles zu Ende ist. Resultat: Ein Schwerverletzter. Zehn Leichtverletzte. Ich danke Gott, daß wir keinen Toten zu beklagen haben…«
    Die Petroleumlampe flackert, ein Windstoß fährt durchs Fenster und das Märchenkrönlein über dem Docht verschwindet. Doch statt des gelben Lichtes erfüllt ein bleicher Schein das Zimmer. Über dem Dach der Baracke, die dem Bürofenster gegenüberliegt, wird der Himmel grau.
    »Schau, mein Kleiner…« flüstert der Capitaine. »Diese Farbe…! Weißt du, woran sie mich erinnert? – Nein? – An Pappeln, an die Blätter von Pappeln… Die Bäume stehen am Ufer des Kanals, der Mittagswind dreht ihre Blätter um, eine sanfte Sonne bescheint sie… Ach!« seufzt Chabert. »Morgen schreibst du mir in deiner schönsten Schrift ein Gesuch:
    ›Capitaine Chabert (Gaston), kommandierend die 2. berittene Kompagnie des III. Fremdenregiments an Seine Exzellenz den Herrn Kriegsminister…‹«
    Er hat die Feder gepackt, der rundliche Mann in der zerknitterten Khakiuniform, und aus all den Papieren, die seinen Schreibtisch bedecken, einen Bogen herausgefischt, der ebenso zerknittert ist wie seine Uniform; nun schreibt er in seiner sauberen Bürokratenschrift, während er sich den Wortlaut des Gesuches laut und bisweilen stockend in die Feder diktiert…
    »Das ist nutzlos, mon capitaine«, sagt Narcisse von der Tür her. »Erstens kann ich das Gesuch besser aufsetzen als Sie (strengen Sie Ihre Augen nicht an) und zweitens werden Sie nicht so schnell fortkommen. Die Suppe, die man sich eingebrockt hat, muß man auch auslöffeln…«
    Er öffnet die Türe. Draußen schreitet eine hohe weiße Gestalt vorbei. In diesem Augenblick wendet sich der Capitaine um – der Luftzug, der durch das Öffnen der Tür entstanden ist, reißt spielend die Papiere vom Tisch und läßt sie durchs Zimmer flattern – Chabert wendet sich um, sieht die weiße Gestalt, springt auf, beugt sich zur Tür hinaus… Schweigend vergeht eine Minute.
    »Chef«, sagt Chabert heiser.
    »Oui, mon capitaine?«
    »Wo geht Lartigue hin?«
    Narcisse hebt seine mächtigen Achseln. Er hat die Hände in den Hosentaschen vergraben und sein geringelter Bart ist in der unsicheren Dämmerung blau wie Stahl. Verächtlich läßt er die Worte seiner Antwort auf den runden Schädel seines Vorgesetzten tropfen:
    »Ins Krankenzimmer. Zu

Weitere Kostenlose Bücher