Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
ganz bestimmt ein großer englischer Dichter. Denn er hat mir ein Buch geschenkt. Mit wunderschönen Illustrationen und einer Widmung, die ich nicht recht verstanden habe: meinem kleinen Phaethon.«
»Phaidon, Phaidon«, lachte Lös dazwischen.
»Und Phaethon ist ein Wagen«, sagte Todd aus seiner Ecke.
»Natürlich« bestätigte Pierrard, verschränkte die Arme über der Brust und fühlte sich gerächt.
»Darauf kommt's doch nicht an«, plapperte Patschuli weiter. »Auf alle Fälle war die Frau des Dichters schwer eifersüchtig auf mich. Das glaubt ihr mir nicht?« Mitleidiges Achselzucken. »Solche Leute sind doch gewöhnlich verheiratet, und Kinder haben sie auch.«
Patschuli unterbrach sich. Eine Hand preßte seinen Nacken zusammen und Peschke fauchte – »Halt jetzt dein Maul, blamierst dich nur. Bist doch nie aus dem Tingeltangel rausgekommen.«
Aber Patschuli riß sich los. Mit hoher keifender Altweiberstimme überschüttete er seinen Freund mit ausgesuchten Schimpfworten.
Peschke blieb ruhig. Er haschte nach der flatternden Hand, bog sie gegen den Ellbogen, immer weiter, bis der andere leise wimmernd schwieg.
»Na, ich will mal was Interessantes erzählen«, er ließ Patschulis Hand los, lehnte sich zurück und stützte sich auf beide Hände, »Nach dem Krieg war das ja eine tolle Sache. Zuerst war ich mit Hasenclever im Rheinland, dann hab' ich den Putsch in München mitgemacht. Wißt ihr, 's war praktisch. Mal bei den Roten, dann beim Freikorps. Wo's eben was zu verdienen gab. Na, in München bin ich dann mit dem Koffer von 'nem Ententeoffizier abgeschoben. Die Kluft, die drin war, paßte mir tadellos. Piekfein hab' ich ausgesehen, wie ich in Berlin angekommen bin. Und Moneten hatt' ich auch. Einmal seh' ich da auf der Straße n' Mädel. Ich steig' ihr nach, sie merkt es und läßt mich rankommen. Hakt bei mir ein und führt mich in ihre Wohnung. Stellt mich dem Papa vor. War 'n Graf von Schweiditz, schwerreich, Rittergutsbesitzer. Na, der Papa sagt, wenn ich dem Mädel gefalle, soll ich nur dableiben. Schöne Nächte hab' ich mit dem Mädel gehabt. Ein Badezimmer hatte sie und Kleider!«
Er schwieg und spuckte. Ein Streichholz, das er anrieb, beleuchtete sein knochiges Gesicht und die groben knochigen Hände mit den abgenagten Nägeln. Er zog den Rauch des ersten Zuges tief in die Lungen, bevor er den anderen die Zigaretten anbot.
»Wenn man nur Koks hätte«, seufzte er.
»Oh, Koks, ja ja. Damit hab' ich einen Haufen Geld verdient.« Smith rückte vor. Seine Hände griffen mit gekrümmten Fingern in die Luft, als wolle er etwas an sich heranreißen. Ängstlich blickte er in die Runde: ob jemand ihm das Recht zu erzählen streitig machen wolle. »Ich kannte viele elegante Französinnen, Tänzerinnen aus den Music-Halls, aber ich hatte nie genug Geld, um ihnen richtig imponieren zu können.« Smith übertrieb seinen englische Akzent, wie Peschke sein Berlinerisch übertrieben hatte; diese Übertreibung war ganz natürlich. Es war ein Mittel, sich von der Masse der anderen zu unterscheiden, sich eine Persönlichkeit zuzulegen. Und wie einen Preis, wie eine Auszeichnung fast erhielt derjenige, der am besten die Redeweise, die Art eines Landes, einer Stadt zu verkörpern schien, den Namen dieses Landes, dieser Stadt. Ein Ziel war erreicht, und kein kleines, wenn man einmal ›der Berliner‹, ›der Wiener‹ oder gar ›der Engländer‹ war. Und Smith wollte schier bersten vor Stolz, als er erfuhr, daß er in der Kompagnie nicht mehr ›der Schneider‹, sondern ›der Engländer‹ hieß. Schwer war es nicht gewesen. Er war der einzige, der in Großbritannien gelebt hatte und der singen konnte: »O yes, we have no bananas, we have no bananas to-day.«
»Immer ist es so, die Weiber, sie machen sich über mich lustig, weil ich kein Geld habe. Aber an einem Abend habe ich einen Chinesen getroffen in the docks. Ich war gerade traurig und hatte nichts zu tun. Auch kein Geld. Ich ging am Wasserfluß auf und ab, und jedesmal, wenn ich umkehrte, kehrt sich auch der Chinese und kommt mir entgegen. Endlich frage ich ihn, ob er etwas von mir will. O yes, sagt er, und ob ich nicht will viel Geld verdienen. Er habe mich oft mit schönen Frauen gesehen, und er habe da eine Ware, die von diesen Frauen sehr geschätzt werde. Ob ich nicht mit ihm kommen wolle? – Ich ging mit. Es konnte mir ja nichts geschehen, Geld hatte ich keines. Aber ich war doch vorsichtig und zeigte dem Tschainamann, dem Chinesen, mein
Weitere Kostenlose Bücher