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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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durchbrach sie plötzlich mit gedämpfter Trompetenstimme.
    »Als ich bei Lettow-Vorbeck als Oberleutnant diente, habe ich in Wiesbaden beim Bac 30000 Emm vaspielt. Graf Esterhazy ist eigentlich mein Name.« Er sprach wie ein Schmierenschauspieler, der in einem Lustspiel einen vertrottelten Grafen zu mimen hat. Und sprach und sprach, ohne Pause, den Blick starr auf einen kleinen Kiesel zu seinen Füßen gerichtet.
    »Geh hör jetzt auf, das schickt sich nicht«, tönte eine Stimme aus dem Schatten des Daches. Der alte Kainz trat hervor. »Du mußt die andern net so frozzeln. Und dann beleidigst du unsern Korporal.« Er trat dicht an Lös heran, strich ihm über die Schultern, Entschuldigung heischend, so als fühle er sich verantwortlich für den Kameraden, den er eingeführt hatte.
    Verlegen schüttelte Lös die Hand ab. Der alte Kainz setzte sich und stellte eine Flasche vor sich hin. »Schnaps« sagte er und schenkte die Tassen halb voll. Alle tranken.
    Pierrard hatte sich auf den linken Ellbogen gestützt und die Hände über der Brust gefaltet. So blickte er in die Sterne. Die struppigen Haare fielen ihm in die Stirn und schimmerten weiß. Er sah stark und unnahbar aus, wie ein betrunkener Soldatenkaiser, mit fallender Unterlippe und kantigem Kinn, Smith dagegen trank in hastigen kleinen Schlucken und sah aus wie ein überernährtes dreijähriges Kind. Schweißtropfen schimmerten auf seinem Nasensattel und zitterten an seinen Brauen.
    Peschke soff. Den letzten Schluck ließ er stets in der Tasse, um ihn dann in weitem Schwung auf die Erde zu schütten. Ein Opfer vielleicht für die Namenlosen, die längst vergessenen, von denen ein schlummernder Teil in ihm noch träumte.
    Zierlich zwischen Daumen und Zeigefinger hielt Sergeant Sitnikoff die Tasse, nicht am Henkel, nein, so als habe die Tasse einen schlanken Hals wie ein Likörglas. Und er schloß die Augen, während er das Trinkgefäß ruckweise kippte.
    Todd war in seine frühere Teilnahmslosigkeit zurückgesunken. Die gefüllte Tasse stand vor ihm. Er hatte die Hände rechts und links flach auf den Boden gelegt. Ein grober Bleiring glänzte an einem Zeigefinger.
    Um zu trinken, hatte sich Patschuli weit nach hinten gelehnt. Mit prallen Lippen hatte er sich am Blechrand der Tasse festgesaugt und dann mit der Zunge noch den Boden ausgeleckt. Er richtete sich nicht mehr auf, sondern blieb mit dem Kopf auf Lös' Knien liegen.
    Das Gewicht dieses Kopfes auf seinen Knien erregte Lös. Und die Wärme des fremden Körpers riß Sprünge in seine Einsamkeit. Er hob die Hand und streichelte die kurzen Haare Patschulis. Diese Berührung, die wie ein Besitzergreifen war, hob aus der Tiefe ein vergessenes Erlebnis.
    Er sah das Knabeninternat, in dem er als Fünfzehnjähriger gewesen war, das Zimmer, das er damals bewohnt hatte, den Freund, der jünger war als er, und der ein weiches, rundes Gesicht gehabt hatte und weiche Haare. An einem Abend nach dem Lichterlöschen war er in das Zimmer des Freundes geschlichen. Da war die Türe plötzlich aufgerissen worden: der Direktor war es gewesen, der hatte ihn in sein Zimmer zurückgetrieben. Am nächsten Tage hatte er Selbstmord begehen wollen mit Chloroform, das er aus dem Laboratorium gestohlen hatte. Aber es war ihm nur übel geworden, und er hatte sich übergeben müssen. Die Übelkeit von damals war mit einem Schlage wieder da. Verworren dachte er noch: Warum erzählen wir uns nicht solche Geschichten, die wahr sind, statt uns anzulügen und uns wichtig zu machen. Da riß er die Augen auf und sah:
    Peschke stützte sich auf, blieb dann einen Augenblick mit dem rechten Knie am Boden kleben, die Fäuste aufgestemmt wie ein Schnelläufer am Start. Dann stürzte er vor, packte Patschuli an einem Ohr und riß ihn in die Höhe. Patschuli kreischte schrill. Da ließ der andere das Ohr los, schnallte mit einem Ruck den Ledergurt ab und trieb den Schreienden mit klatschenden Schlägen zum Tor hinaus.
    Ein Fenster im Turm an der Ecke ging auf. Die Zurückgebliebenen, die sich bis zur Mitte des Hofes vorgeschlichen hatten, sahen eine behaarte Brust, der Kopf des Capitaines blieb unsichtbar im Schatten des Daches. Und aus dem Schatten des Daches tönte eine klagende Stimme.
    »Ruhe dort unten, ich will schlafen.«
    Die klatschenden Schläge hörten auf. Lös sah die beiden Laufenden sich erreichen und in der finsteren Türe einer Baracke verschwinden.
    Todd summte: »Das ist die Liebe, die dumme Liebe.« Aber Lös winkte ab, und Todd

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