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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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rotgesprenkelten Oleanderbusch. Die Luft war zäh und schwül, denn der Wind traf nur die Spitzen der Bäume.
    In einer Lichtung stand das Mädchen braun und nackt gegen das blaue Tuch des Horizonts, das durch die Bäume leuchtete. Die Lumpen, die es fortgeworfen hatte, waren ein schmutziges Häuflein im Gras. Vorsichtig beugte sich Lös zu den spitzen Schultern und küßte sie. Der Geruch des Körpers war säuerlich, und die Haut schmeckte salzig. Die kleinen Brüste hingen schlaff herab und wirkten hilflos, bisweilen spannten Muskeln die Haut. Er legte die Hände auf die Hüfte des Mädchens. Doch Zeno schüttelte diese Hände ab, blieb dann regungslos, und ihre Augen waren ohne Ausdruck.
    Eine große Dumpfheit war in Lös, die weder einen Gedanken noch einen Trieb aufkommen ließ. Dann flirrten ein paar Bilder ab: eine weiße Tafel, auf der stand: Klinik für Haut- und Geschlechtskrankheiten, eine Flasche mit einer dunkelvioletten Flüssigkeit, eine farbige Tafel aus einem Anatomiebuch. Dann war wieder die dunkle Stumpfheit da, aus der nach und nach ein Gedanke auftauchte, der sich nicht wieder vertreiben ließ: ›Ein anderer an deiner Stelle‹, so sprach jemand spöttisch in ihm, ›würde zupacken, sich nicht lange besinnen. Aber du? Nirgends, in keinem Augenblick deines Lebens wirst du es lernen können, zuzupacken‹. Er schloß die Augen, trat einen Schritt zurück. Als er sie wieder öffnete, hatte Zeno den neuen Stoff wie eine breite Binde um ihren Körper gewickelt. Ein Zipfel bedeckte ihren Kopf. Sie lachte auf, laut und kreischend, packte Lös' Hand und zog ihn weiter.
    Aufgeregt begann sie zu erzählen von den Legionären, die sie verfolgten, vom dicken Capitaine, der ihr einmal am Abend nachgegangen sei. Aber er habe nicht gewagt, etwas zu sagen. Auch der Chef habe sie einmal in der Dunkelheit eingefangen, aber sie habe ihn gekratzt und gebissen, bis er sie freigelassen habe. Der Vater wolle nicht, daß sie mit den Soldaten gehe. Und dann sei der Capitaine Materne streng. Der sperre die Mädchen ein, die sich mit den Männern einließen. Aber er, der Korporal, der sei nicht wie die andern, das wisse sie. Dabei streichelte sie Lös' Hand und leckte sie wie ein kleiner Hund.
    Sie kamen zum Ksar. Die hohen fensterlosen Lehmmauern blendeten ockergelb, beschienen von der Sonne, die schon tief stand. Im Staub spielten Kinder, die Gesichter waren mit Schorf bedeckt, viele Augen mit Eiter verklebt. Sie starrten auf die fremde Gestalt in Khaki und Wickelgamaschen und liefen dann schreiend davon. Ein dunkler Gang führte in das Innere des Dorfes, das ein einziger zusammenhängender Bau war, ein riesiger Termitenbau; dunkle Gestalten strichen an den beiden vorbei, nicht zu erkennen in der schmierigen Dämmerung. Lös dachte an das Verbot, an die Erzählungen, die umgingen, von Raubanfällen, er dachte an das Geld, das er bei sich trug. Aber er fühlte keine Angst. Er hatte sich mehr gefürchtet, als er die Schultern des Mädchens geküßt hatte.
    Eine steile Holztreppe führte in ein Zimmer, in dem es erstickend roch. Zeno stieß einen Laden auf, und Strahlenbüschel durchstachen blauen Rauch. In einer Ecke saß ein kleines Mädchen auf einem Haufen Stroh, über ihr saßen auf Stangen etliche Hühner. Die plötzliche Helligkeit weckte sie auf, sie flatterten zu Boden und liefen gackernd umher.
    Und Zeno stieß nun eine hohe Tür auf. Sie gab den Blick frei auf eine weite Terrasse. In durchsichtigen Kugeln schwebte der Rauch ins Freie, aber als unverrückbarer schräger Balken führten die Strahlen vom Fenster zum Fußboden.
    Inmitten der Terrasse hockte auf einer Alfamatte ein uralter Mann. Auf dem Scheitelpunkt des sonst glattrasierten Schädels wuchs ein langer, grauer Haarschopf und lud Allahs Hand ein, den daranhängenden Körper mitzuziehen, hinauf in eine reichere Welt. Denn der Mann war mager und unterernährt. Als er Lös' Schritte hörte, blickte er auf und ließ seine Zehen fahren, mit denen er gedankenvoll gespielt hatte. Lös erinnerte sich an seine Karl-May-Lektüre und sagte: »La illah Allah, Mohammed rassuhl Allah.« Dabei verneigte er sich tief. Es schien zu stimmen, denn der alte Mann lächelte mit breiten Pferdezähnen, murmelte etwas wie »Mlech, mlech«, streckte eine schmale Hand aus, berührte nur leicht die des andern mit den Fingerspitzen, führte dann den Zeigefinger an die Lippen und wies mit einer sanften Gebärde nach oben. Zeno erschien und zeigte ihr neues Kleid. Dazu schnatterte

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