Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
Capitaine und schmeißt mich endgültig aus der Verwaltung, wenn er mich nicht findet.«
»Ja, ja«, sagte Lartigue und reckte die Fäuste gegen die Decke. »Sehr gut so. Geben Sie nur acht, Lös. Man beneidet Sie hier nicht so sehr wegen Ihres Druckpostens, der Ihnen Geld einbringt. Deswegen auch, natürlich. Aber haben Sie bemerkt, daß man Sie auch haßt? Warum? Das ist eine Frage, die ich selbst nicht klar beantworten kann. Worte genügen da nicht. Man kann wohl mit den Leuten saufen, Zoten erzählen und gerade so gemein scheinen wie sie. Sie fühlen doch, daß da etwas nicht stimmt. Daß wir voller Vorbehalte sind, innerlich, ein Reservat besitzen, auf das wir uns zurückziehen können und das sie, die andern, nicht besitzen. Man soll ganz mitmachen, meinen sie – aber mitmachen und dabei noch beobachten, das finden sie gemein.« Jetzt erst ließ er die Fäuste auf die Schenkel fallen, streckte die Finger und umfaßte die Knie. »Warten Sie«, rief er und winkte Lös mit der Hand. Dann flüsterte er hinter dem Handrücken, so wie man auf dem Theater ein ›a parte‹ mimt, »Sie treiben, wie ich höre, praktische Völkerpsychologie. Ich versuche es ja auch. Noch eine Gemeinsamkeit, die uns verbindet. Aber geben Sie acht, manchmal kann es schmerzlich werden.«
Er streckte Lös die Hand hin; sie war unbehaart und klein. Eine Knabenhand fast, wenn man den Rücken betrachtete; und doch wirkte sie greisenhaft durch die verrunzelten Finger.
Lös stieß die Tür auf gegen die stumme Nacht, die über dem Posten lag. Von einem leichten Wind war sie bewegt; den Morgen kündete er, der hinter den schwarzen Bergen vorsichtig näher schlich.
Seit einer halben Stunde wartete Korporal Baskakoff im Hofe der Verwaltung auf die Verteilung. Vor der Bäckerei stand Frank neben einem Haufen dampfender Brote, deren Geruch sich mit dem Rauch der verglimmenden Holzglut mischte. Auf einem Stein flackerte die lange gelbe Flamme einer Kerze.
Baskakoff sah verärgert aus. Augen und Lippen wölbten sich übertrieben vor. Die andern dagegen, die ihn begleiteten, waren angeregt und erfreut: der Geruch des frischen Brotes schien diese belebende Wirkung auszuüben; er war wohl altgewohnt und hing mit Frühstück und dem Beginn eines neuen Tages zusammen. Zum Schluß gab Lös jedem eine Blechtasse Wein. Sie wurde mit demütigem Grinsen entgegengenommen und mit untertänigen Späßen bezahlt. Das Flüstern aber, das aufraschelte, wenn Lös beiseite trat, war voll Haß und Neid. Einmal hörte er ganz deutlich den Türken Fuad zum Schweizer Bärtschi flüstern: »Er nicht ausrückt, er kann geben Wein.« Wozu Bärtschi nickte.
Als aber Lös auf Fuad zukam, machte dieser Verbeugungen, streckte seine Blechtasse vor, um sie noch einmal füllen zu lassen, und leerte dann den Wein in seine Feldflasche.
Nun war der Hof leer. Da schlich aus einer Ecke Todd hervor, mit leisen Schritten, und klopfte Lös unerwartet auf die Schulter. Er habe die Bestellung ausgerichtet, teilte er mit, Zeno sei ein wenig traurig gewesen, doch habe sie erklärt, daheim bleiben zu wollen, bis Lös komme.
»So, und jetzt wirst du mich einladen. Ich habe Hunger und keine Lust, mich noch hinzulegen und zu schlafen.«
Sie waren in das kleine Haus getreten. Lös zündete eine Azetylenlampe an. Hinter der Flamme war ein Scheinwerfer aus spiegelndem Blech angebracht. Karbidgeruch erfüllte den Raum. Vom Bett aus fragte eine schläfrige Stimme: »Wie spät ist es? Sind die andern schon ausgerückt?« Der kleine Schneider war erwacht und schaute mit glänzenden Augen ins Licht, warf dann die gefalteten Hände vors Gesicht und stöhnte: »Mein Kopf tut mir weh.«
»Willst du noch einen Schluck Wein?« fragte Lös, trat ans Bett und strich dem Liegenden über die feuchte Stirn. »Die andern sind noch da. In einer Stunde rücken sie aus. Wirst du mitkönnen, oder soll ich dem Alten sagen, daß du krank bist?«
»Nein, nein.« Der kleine Schneider war sehr erschrocken. »Ich bin doch ein Neuer, da kennt mich der Capitaine nicht und wird auch nichts wissen wollen von mir. Der Adjutant hat sicher auch über mich geklagt…« Lös zuckte die Achseln. Todd nickte traurig. Dann stand der kleine Schneider auf, zog seine Schuhe an, legte stöhnend die Wadenbinden um die dünnen Beine, grüßte leise und drückte sich zur Tür hinaus.
Todd hatte sich in eine Ecke auf den Fußboden gesetzt und starrte vor sich hin.
»Was willst du bloß von dem Mädchen«, fing er plötzlich an, und
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