Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
Vom Netzwerk:
seine Stimme war ärgerlich, während die Finger vor lauter Verlegenheit an dem Stoff der Hosen zupften. »Ich weiß schon, es ist aufdringlich, wenn ich dich so frage, kenne dich ja kaum, aber mir schien es so, daß wir einander doch ziemlich nahe gekommen sind, oder nicht?«
    Lös nickte schweigend. Warum nicht Rechenschaft ablegen? Das war manchmal ganz angenehm und befreite.
    Die Muskeln Todds arbeiteten unter der gelben Haut des Gesichtes und brachten die spärlichen schwarzen Härchen am Kinn zum Zittern.
    »Du mußt mich verstehen. Ich will keine Geständnisse. Aber ich versteh dich nicht recht.« Fast klangen die Worte wie Eifersucht, eigentlich gehörst du mir, was unterstehst du dich, mit einer Frau zu gehen? Aber dieser Grund war Todd verhüllt, er sprach weiter, und seine Stimme wurde zorniger. »Ich habe mir eine ganz falsche Vorstellung von dir gemacht. Ich dachte, du seist ein anständiger Kerl. Hast doch den andern gegenüber renommiert, du gingest nie zu den Weibern. Und jetzt? Dabei drückst du mir zehn Franken in die Hand, als sei ich ein Dienstbote, der ein Trinkgeld braucht. Kannst nicht warten, bis man etwas von dir verlangt?«
    Es war still. Nur vor der Kammertür rauschte leise das Wasser des Kanals. Lös ging hinaus, kam mit einer Büchse Fleisch zurück, öffnete sie, schnitt Zwiebeln, machte einen Salat an, reichte Todd den vollen Teller, füllte eine Tasse mit Wein und setzte sich schließlich auf das leere Bett.
    »Du findest also, daß ich gemein geworden bin«, stellte Lös fest. »Und dazu noch taktlos. Was soll ich da lange erklären? Aber doch, es ist eigentlich ganz richtig, einmal darüber zu sprechen. Früher, weißt du, als ich noch im Schlafsaal und dann später in der Baracke geschlafen habe, da ist es ganz gut gegangen. Ich bin stumpfsinnig geworden und wunschlos. Dieser Zustand war gar nicht unangenehm, weil man ihn eigentlich nie so recht fühlte. Tagsüber habe ich mich sogar noch aufschwingen können und mit andern Leuten ganz vernünftige Gespräche geführt. Vernünftig! Du weißt schon, was ich meine. Nicht den allgemeinen Stumpfsinn. Ich war dabei innerlich ganz ruhig. Und eigentlich ganz zufrieden, ruhig zu sein nach den Aufregungen drüben, vor meinem Engagement. Dann war das Wachestehen eigentlich auch ganz sympathisch. Man konnte so vor sich hinträumen. Ja. Aber wie ich hier in die Administration kam, da war ich plötzlich allein und – hatte Zeit. Verstehst Du? Auch in den Nächten. Das war zuerst sehr komisch, fast angenehm. Aber dann wuchs so eine Art Spannung, die ich einfach nicht los wurde und die nach und nach eine regelrechte Verzweiflung geworden ist. Weißt du, in den Nächten kommen dann alle Dummheiten, die man in der Vergangenheit gemacht hat und quälen einen. Und noch etwas: daß überhaupt so eine Spannung in der Einsamkeit sich bilden kann, habe ich mir so erklärt.« Lös schwieg und dachte nach. Er wollte durchaus keinen Monolog halten, er wollte glasklar sein, wenn der andere nicht verstand, so hatte die ganze Rede gar keinen Sinn, der andere mußte verstehen.
    »Ja, etwa so: wenn du in den Nächten nie allein bist, und auch am Tage nicht, so kann gar keine Spannung entstehen. Sobald du ein Gespräch führst oder einen Witz machst, so ist das doch wie eine Berührung, die du mit dem anderen tauschest.« Lös hatte die Ellbogen aufs Knie gestützt und bewegte die gehöhlte Hand wagrecht hin und her, als sei sie mit etwas Kostbarem gefüllt, das er nicht verschütten dürfe. »Eine Berührung, ja, fast eine Zärtlichkeit. Weißt du, wir sind ja so hungrig nach Zärtlichkeit, daß ein freundliches Wort, gesagt oder empfangen, genügt, um die Spannung zu lösen. Verstehst du?«
    Todd war längst fertig mit essen. Er hielt die geknickten Beine mit den Armen umspannt und hatte das Kinn auf die spitzen Knie gelegt. So sah er steif auf Lös' braun glänzende Sandalenspitze. Jetzt hob er den Kopf, schloß gleichzeitig die Lider und nickte. Sein entspanntes Gesicht schien ein Lächeln anzukündigen, das noch nicht reif war.
    »Ja, draußen in den Baracken, kinderleicht ist das Leben dort. Man kommt nicht zum Nachdenken, die Vergangenheit wird ganz unwirklich, einzig bestehen bleibt nur der Tag und was der Tag bringt: Wo man eine Zigarette schinden kann, wenn man kein Geld mehr hat, was die kleine Freundin des Leutnants gesagt oder getan hat, ob der Sergeant Farny einen neuen Burschen hat, und was er mit diesem neuen Burschen tut. Wieviel Fleischklöße

Weitere Kostenlose Bücher