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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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rechte Schulter und begann mit unsicheren Schritten das Zeltviereck abzuschreiten. Er mußte den Helm halten. Der Wind wehte stark.
    In seinem Zelt saß der Adjutant. Auf dem niederen Klapptisch brannte eine Stallaterne. Neben ihr, halbvoll, stand eine Flasche Rum. Als Schneider am Eingang vorbeiging, sah er die bunte Etikette leuchten: ›Negritos‹ stand darauf und ein Negergesicht grinste daneben.
    »Mir ist kalt«, flüsterte der kleine Schneider. Cattaneo rührte sich nicht. Lauter wiederholte Schneider die Worte.
    »Schnaps willst du? Na, komm.« Der Adjutant goß eine Tasse voll und schob sie Schneider hin…
    Cattaneo saß hemdärmelig auf dem Feldbett, dessen Latten sich unter dem Gewicht seines Körpers bogen. Die offenen Breeches wehten um die Waden.
    »Merci mon adjudant«, sagte der kleine Schneider und stand ganz stramm.
    »So ist's besser«, lobte der Adjutant, wie man einen gelehrigen Hund belobt, und winkte gönnerhaft mit der Hand. »Schnaps ist die beste Medizin.«
    Und weiter schritt der kleine Schneider, während ein großes Glücksgefühl seinen Körper ergriff und frohe Bilder in seinem Kopfe tanzten.
    Der Mond war aufgegangen. Eine Wolke glänzte wie ein rundlicher wächserner Gott auf dem Altar des Berges.
    »Ich werde sicher noch Korporal«, dachte der kleine Schneider, »ich werde einfach verlangen, nach Fez in die Unteroffiziersschule zu gehen.« Alles schien leicht durchführbar. »Oder ich finde dort einen Major, der mich auf Reform schickt.«
    Ein ganz neues Leben stieg vor ihm auf bei dem Gedanken an die Reform: Rückkehr zu Menschen, die seine Sprache sprachen, zu blonden Mädchen, die sauber waren und gesund. Es würde vielleicht schwer sein, Arbeit zu finden, aber doch nicht unmöglich. Man konnte auch wandern. Und in Deutschland hatte es wohl inzwischen eine Amnestie gegeben.
    Drüben schimmerte die Straße weiß zwischen schwarzschraffierten Feldern, auf denen einzelne Grasbüschel wehende Straußenfedern waren. Stumm lagen die Zelte da, bisweilen nur drang aus ihnen ersticktes Schnarchen, das sich jäh unterbrach, als erschräke der Schläfer vor seinem eigenen Lärm. Die Maulesel klirrten unruhig mit ihren Ketten. Nun löschte der Adjutant die Laterne aus. Seinen großen schwarzen Schatten hatte die Nacht verschluckt. Der Wind mischte den Petroleumgeruch mit dem würzigen Rauch des Kalkofens. Die Einsamkeit war sehr groß.
    Der kleine Schneider setzte sich an eine Ecke des Zeltvierecks. Dort fiel der Abhang steil zum kaltrauschenden Oued ab. Die Luft war nun still. Aus dem Posten näselte es noch, müde: »Ay, ay, ay la moulay djiroua…«
    Da plötzlich schüttelte den kleinen Schneider die große Verzweiflung. Sie brach in seinen Kopf ein, peitschte Schauer durch den müden schmerzenden Körper, zerrte so heftig an allen Muskeln, daß die Beine schlotterten. Zitternd öffnete die rechte Hand die Patronentasche und legte eine Patrone auf die Erde. Dann nahmen die beiden Hände das Gewehr auf und entriegelten den Verschluß. Das Klappern klang wie ein lauter Knall in der Stille. Und zitternd schob die Rechte die Patrone ein. Das Gewehr fiel zu Boden. Die beiden Hände rissen die Wickelgamasche vom rechten Bein, lösten zitternd die Schuhriemen, um den Fuß zu befreien. Bei einer heftigen Bewegung des rechten Armes entlud sich das Gewehr, dessen Mündung in den Falten der Capotte lag. Der Knall erstickte im dicken Stoff. Der kleine Schneider fühlte einen heftigen Schlag am linken Schenkel. Und dieser Schlag gab ihm das Gefühl seines Körpers zurück: nicht mehr losgelöst von seinem Willen waren die Glieder. Dann rollte er den Abhang hinab. Der Mond drehte sich rasend schnell. Die Hände des kleinen Schneider waren feucht und ein warmer Strom floß an seinem Schenkel herab. Er fühlte noch eine kalte Hundeschnauze, die an seine Wange stieß. Dann wurde die Nacht purpurn.
    Um Mitternacht machte der Adjutant die Runde und fand den Toten. Er drehte den Körper mit der Fußspitze um, zuckte die Achseln und ließ ihn liegen. Am Morgen suchte er einen alten Sack, preßte selbst den Körper hinein und ließ ihn verscharren. Gegen Sonnenaufgang hatte es leicht geregnet. Die lehmige Erde war feucht. Er beaufsichtigte das Zuschaufeln des Grabes. Eine Erdscholle blieb an seinem Stiefelabsatz kleben.
    »Merde«, sagte er und schleuderte unwillig den Fuß nach vorne.
    Les amants des prostituées
Sont heureux, dispos et repus.
Quant à moi, mes bras sont rompus
Pour avoir étreint des

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