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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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tutend vorbei. Er legte sich auf den Rücken und die Sonnenstrahlen machten die Wimpern seiner halbgeschlossenen Augen farbig. Dann war er daheim, und die Mutter strich über seine Stirne. Nein, nicht die Mutter, der Korporal Lös war es, und der Adjutant stand daneben und lachte. Da erwachte der kleine Schneider. Das Hemd klebte am Rücken und die Arme waren so schwach, daß sie nicht die Decken abschütteln konnten, die allzuheiß gaben. So leer war der Kopf, daß die Augen sich von selber schlossen.
    Da war er plötzlich in einem Granattrichter. Und Schnee fiel herab, durchnäßte ihn. Deutlich hörte er dumpfes Trommelfeuer. Dann fuhr ein Zug durchs Land, und ein rotbärtiger Mann predigte von der Befreiung des Proletariats. Dann mußte er auf einer Straße fliehen, die durch eine dicke Nacht führte. Immer war hinter ihm eine unsichtbare Hand, die ihn greifen wollte.
    Wieder erwachte er. Es war kein richtiges Wachsein. Eher ein Hindämmern, in dem er seinen Traum weiter verfolgte.
    Nun diente er bei jenen, auf die er geschossen hatte. Er hatte sich verkauft – für fünfhundert Franken und 75 Centimes täglich Lohn. Auf fünf Jahre. Wie viele Fünfen es in dieser Rechnung gab. Er lächelte. Doch die ihn gekauft hatten, brauchten ihn nicht zu schonen. Täglich wurden Neue angeworben. Nun mußte er Straßen bauen und Kalk brennen. Und war doch als Soldat eingetreten.
    Plötzlich war er ganz wach. Eine Melodie summte in seinem Kopf, die er in den Revolutionstagen oft gehört und mitgesungen hatte. Aber nicht die deutschen Worte suchte er, die zu diesem Liede paßten. Er wollte von allen verstanden werden, besonders vom Adjutanten. Und er fand auch die französischen Worte. Mit lauter Stimme sang der kleine Schneider das Lied, das auszudrücken schien, was in ihm war:
    »C'est la lutte finale
Tous en rang et demain…«
    Da stand schon der Adjutant am Zelteingang und brüllte:
    »Was, du singst bolschewistische Lieder? Ich will dir helfen. Ein Bolschewik ist nicht krank. Du ziehst heut abend auf Wache.«
    Aber hinten beim Kalkofen griff eine verrostete Stimme die Melodie auf:
    »C'est l'Internationa-a-ale…«
    Stefans Stimme verstieg sich auf dem »In-« zu hohem Kreischen. Das störte den Adjutanten wenig. Er lächelte bloß: nur den deutschen Spartakisten war nicht zu trauen. Die konnten aus Patriotismus eine Revolte anzetteln.
    Um sechs Uhr wurde zu Nacht gegessen. Der alte Guy schleppte nacheinander zwei große Kessel in die Mitte des Zeltvierecks, gerade vor des Adjutanten Zelt. Um die Kessel standen die Gamellen in konzentrischen Kreisen, und diese wieder wurden umschlossen von einem dreifachen Ring starrer gelber Gestalten. Alles überwachte die Austeilung. Korporal Dunoyer klatschte mit Schwung zuerst das Fleischragout und dann den Käsereis in die Eßschalen.
    Zwei Stunden war die Sonne nur eine blinde Messingscheibe, die langsam hinter den Bergen verschwand. Der Oued schimmerte kupfern. Dann waren auf dem grünen Himmel zwei Sterne. Ein kalter Wind ließ den Hund des Adjutanten zittern und winseln. Oben hinter den Mauern des Postens (auch sie schimmerten metallen-grünlich) wimmerte es eintönig zu klappernder Zupftrommel:
    »Ay, ay, ay, la moulay djiroua…«
    Aus dem Kalkofen drang scharfduftender Rauch und einzelne blasse Flämmchen. Unten im langen Gang, der zur Feuerstelle führte, stand Stefan und stieß frisches Holz in die Glut. Im Gang saß die Sektion beisammen und ließ die Feldflasche kreisen. Der Adjutant hatte eine doppelte Ration Wein austeilen lassen. Das feuchte Holz summte mannigfache Töne, die zusammenklangen zu einem sonderbaren Akkord.
    »Drei Lilien, drei Lilien,
die pflanzt ich auf ein Grab, fallera
da kam ein stolzer Reiter
und brach sie a-a-ab.«
    Die Deutschen sangen, zaghaft und leise. Korporal Claus' Fistelstimme stach ab, wie der Ton einer Kinderflöte.
    Dann sang der Russe Petroff mit hohem, sehr gleichmäßigem Tenor, ein wenig durch die Nase, und seine Landsleute fielen ein. Es klang traurig und ein bißchen verzweifelt.
    Ganz am Ende des Ganges, die Brust noch warm beschienen, doch den Rücken im kalten Abendwind, saß in voller Ausrüstung, einsam, der kleine Schneider. Die grüne Capotte fiel herab bis zur Mitte der Waden. Der Tropenhelm verdeckte schier die Hälfte des Gesichts und ließ nur den Mund sehen, der weinerlich geschürzt war.
    »Appell!« Veyres Stimme zerriß die Dunkelheit.
    Der Gesang am Feuer verstummte. Schneider erhob sich, hing das Gewehr über die

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