Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion
ein paar Sattelriemen gegen Schnaps eintauschen, aber der Adjutant brächte mich vor Kriegsgericht. Vielleicht wär's besser. Aber der Capitaine würde mich sicher nur in die Disziplinkompagnie schicken. Und das wäre nicht gut.« Er sah ganz deutlich den Steinbruch in Colomb-Béchar, wo Senegalneger mit geladenem Gewehr und Gummiknütteln magere Legionäre zur Arbeit antrieben. Dann griff er in den Umschlag seines Bonnet de Police, fand darin eine aufgesparte Kippe vom vorigen Abend und begann zu rauchen. Aber nach einigen tiefen Zügen wurde ihm schwindlig. Er drückte den kleinen Stummel aus und versorgte ihn am gewohnten Platz.
Wieder flimmerten Farben, und ein leichter Schwindel ließ die Luft vor seinen Augen zittern. Dumpfe Glocken dröhnten vor seinen Ohren, ganz nahe, unterbrochen von gellendem Schellengeklingel. Und wieder fielen Worte tropfenweise durch seinen Kopf: »Komisch, wie das Chinin wirkt. Und letzte Nacht habe ich vom großen Krieg geträumt. Vielleicht war die Kälte dran schuld. Ich hab von Rußland geträumt und von einem dicken polnischen Mädchen… ›Vergiß Maruschka nicht, das Polenkind!‹« Er summte die Melodie vor sich hin. »Aber die Araberdirnen. – Schmutzig sind sie und stinken. Pfui.« Ekel schüttelte ihn. »Der Krieg ist wohl an allem schuld. Was haben wir eigentlich vom Leben gehabt? Fünf Jahre bin ich Soldat gewesen, in Deutschland. Dann sollte es Frieden geben. Ich hab wohl auch das Recht gehabt, ein wenig Glück zu finden. Und sie haben uns den Frieden versprochen und ein neues Leben. Ja. Dafür sollten wir noch einmal kämpfen. Ich hab's geglaubt. Es waren nur die Großen und Reichen an unserm Unglück schuld. Und dann der Sturm auf den Bahnhof. Warum gerade auf den Bahnhof? Im Bahnhof hat es doch nur alte Waggons und keine Großen, Reichen. Im Grunde habe ich nichts getan, als wieder andern zu folgen, die wieder kommandiert haben, wie die Offiziere früher. Und das war wieder falsch und sie haben mich einsperren wollen. Da bin ich dann durch die Lappen. Lieber die Fremdenlegion, hab ich gedacht. Wenn ich damals gewußt hätte, was ich heute weiß! Jetzt soll ich noch drei Jahre aushalten. Drei Jahre!« Ein Schauer ging durch seinen Körper, eine unsichtbare Hand zog seinen Kopf an den Haaren nach hinten. Ganz klar, plötzlich, dachte er: »Sterben. Ganz leicht. Den Lauf des Gewehres in den Mund stecken und mit der großen Zehe abdrücken. Das geht gut.« Er lächelte freudig und still.
In weitem Bogen schwang sich der Sergeant Schützendorf auf die Erde. Die Wickelgamaschen waren auf die Schuhe gerutscht. Er blickte mit schläfrigen Augen um sich, dann rief er: »Absitzen.«
Durch die Schlucht lief ein Bach, der weiter unten im Erdreich träge versickerte. Rechts und links stiegen graue Felsen auf, büschelweise bewachsen mit verhutzelten Nadelhölzern. Ein Rudel Gazellen verschwand, lautlos hastend, fern in der Ebene.
Mühsam stieg der kleine Schneider ab. Als er sich bückte, drehten sich die Grasbüschel in grünen Wirbeln.
An der Araba teilte Stefan Minierstangen und Pickel aus. Schützendorf hatte sich nahe an den Bach in den glitzernden Sand gelegt und blinzelte in den Himmel. Der kleine Schneider berührte ihn an der Schulter: »Ich bin krank, Sergeant, und kann nicht arbeiten.« Schützendorf räkelte sich und gähnte, blickte dann teilnahmslos auf die wankende Gestalt und brüllte: »Achtung steht!« in deutscher Sprache. Der kleine Schneider stand stramm. Er fühlte das Schlottern in seinen gestreckten Knieen schmerzhaft und deutlich. Im rechten Schenkel klopfte ein Hammer. »Na, Ruhen«, sagte Schützendorf gemütlich. Er zog ein Paket Cigaretten aus der Tasche, Schneider blickte mit hungrigen Augen darauf.
»Gib mir dann die Kippe, Schützendorf, ich habe nichts mehr zu rauchen«, bettelte er demütig.
»Da nimm ein paar.« Der Sergeant hielt ihm das Päckchen hin. »Weißt du, ich bin ja eigentlich kein schlechter Kerl. Hab früher auch meinen Wein für Cigaretten verkauft. Tabak ist wichtiger als Brot und Wein.« Er versuchte ein tiefsinniges Gesicht zu machen. »Also krank bist du. Dann kannst du dort oben Wache stehen, wenn du noch hinauf kommst.«
Dem kleinen Schneider tat es wohl, daß man deutsch zu ihm sprach. Und Schützendorf kannte er schon lange. Er war mit ihm in Bel-Abbés in der gleichen Sektion gewesen.
Nun hing er sein Gewehr um, wog die vollen Patronentaschen in den Händen und stapfte bergauf.
Oben setzte er sich auf einen
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