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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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den kleinen Finger an der Hosennaht, die gestreckten, flachen Hände nach vorn gekehrt. Die Zeit, die verstrich, nährte seine Angst. Bisweilen schüttelte ihn ein leichter Frostschauer, und der stechende Schmerz von gestern nistete sich wieder in seinem Kopfe ein. Er fühlte sich feige und dem kommenden Unglück ausgeliefert. Was mochte wohl drohen? Kriegsgericht oder Disziplinarkompagnie? Es wurde stündlich schwerer, die Unsicherheit zu ertragen. Im Augenblick war er überzeugt, daß der Leutnant ihn verschicken werde, in den nächsten Tagen, vor der Rückkehr des Capitaines. Um so erstaunter war er, als er die Blicke auf das Gesicht des Leutnants hob. Es war freundlich anerkennend und trug ein kleines Lächeln um den Mund. Die Hände auf dem Rücken hielten wie gewohnt den Rohrstock aufrecht und ließen ihn gegen den Rand des Korkhelms einen fröhlichen Rhythmus trommeln. »Gut so«, lobte der Leutnant, beschrieb mit langsamen, kleinen Schritten einen Kreis um Lös, nickte wiederholt anerkennend und verlieh dieser Anerkennung auch Worte. – Man sei ja ein ganz strammer Soldat, wenn man nur wolle, aber der Wille fehle meistens, nicht wahr? Nun… Ruhen!
    Lös ließ den rechten Fuß nach vorne gleiten. Also Lös habe Angst, weil er den Major umsonst gerufen habe? Wenn dies wirklich der einzige Grund seiner Furcht sei, so möge er sich beruhigen. Er, Leutnant Mauriot, werde die Sache schon zur Befriedigung aller regeln. Im Gegenteil, dieser Besuch des Majors sei eine ausgezeichnete Sache. Glaube Lös vielleicht, es sei immer lustig, so ganz allein, ohne Kameraden, in einem Posten zu leben, und niemand zu haben, mit dem man ein Glas Wein trinken und ein vernünftiges Wort reden könne? Wenn Lös ein wenig klug gewesen wäre, so hätte sich ihr gegenseitiges Verhältnis viel angenehmer gestalten können. Lös müsse nicht meinen, daß nur Lartigue fähig sei, ein Gespräch zu führen. Mauriots Stimme war gar nicht mehr näselnd und eintönig. Ein knabenhafter Eifer ließ sie natürlich klingen, er hob und senkte sie in der deutlichen Bestrebung, zu überzeugen, und sei es auch nur einen Untergebenen. Dennoch zitterte in ihr Eifersucht und Trotz. Lös fühlte dunkel, der Leutnant werde ihn nach dieser Rede noch mehr hassen, weil er sich vor einem Untergebenen hatte gehen lassen. Nun fuhr der Leutnant fort, Bergeret käme ja heute; er, Mauriot, wolle versuchen, die Eigenmächtigkeit des Korporals dem Arzte gegenüber zu entschuldigen. Eben wollte Lös erwidern, daß dies nicht nötig sei, aber er hielt noch rechtzeitig inne, durfte abtreten, grüßte mit flach nach vorne gekehrter Hand, machte rechtsumkehrt und ging davon; den Blick des Leutnants fühlte er wie ein unangenehmes Kitzeln zwischen den Schulterblättern.
    Müde setzte sich Lös in den schmalen Schatten, den seine Hütte auf den Boden des Hofes warf, zog die Beine an, stützte das Kinn auf die Knie und starrte die blendende Mauer an. Er konnte nicht denken: die Luft war zu heiß, das Licht zu grell, die Müdigkeit der Nacht warf flimmernde Tücher über seine Augen. Sein Mund war trocken und seine Zunge ein verdorrtes Blatt. Trotzdem schien ihm das Aufstehen eine viel zu große Anstrengung; und wenn er an den Geruch eines alkoholhaltigen Getränkes dachte, wurde ihm übel. Seine Füße glitten nach vorn, er sank gegen die Mauer zurück und schloß die Lider. So saß er lange, bis etwas Warmes und Feuchtes seine Wange liebkoste: es war Türk, der mit vorsichtiger Zunge die Backe seines Herrn leckte, mit schlenkernder Vorderpfote Ergebenheit beteuerte. Das war tröstlich, und Lös versuchte, dem Hund zu erklären, was so schwer zu verstehen war.
    Türk stieß ein leises Jaulen aus, weil Lös ihn ins Ohr gekniffen hatte, schüttelte den Kopf, bellte heiser, und begeistert trommelte er mit den Pfoten auf der Schulter seines Herrn. Aber plötzlich packte ihn Raserei: ein Araber war im Hof der Verpflegung erschienen, ein Araber mit nackten Waden und einem zerschlissenen Mantel, der sich ängstlich mit einem Bambusstecken Türk fernhielt. Zweimal mußte Lös pfeifen, der Zorn riß den Körper des Hundes in gewaltigen Schwüngen vorwärts, doch der Gehorsam siegte, ein blinder Gehorsam…
    Zuerst verstand Lös die Worte des Jungen gar nicht, so laut war noch Türks Gekläff. Aber dann gelang es ihm, des Hundes Unterkiefer zu packen, und da beruhigte sich Türk, wedelte treuherzig und gab durch ein nachdrückliches Räuspern zu verstehen, daß er sich ruhig

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