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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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einer Orgel zu treten. Zum Glück hemmte der alte Kainz durch sein Erscheinen den Fortlauf der Rede. Aber auch er wußte nichts Erfreuliches zu berichten. Pumperlg'sund sei der Frank, er klage über Hunger und wolle aufstehen. Nur durch Androhung, er bekomme fürchterliche Prügel und werde dann ins Cachot gesperrt, hätte ihn Kainz überzeugen können, liegen zu bleiben und dem Major etwas vorzuwimmern. »Unser schöner Typhus«, klagte der alte Kainz, »So gfreut ham mer uns. Ja, Korporal, es schaut bös aus, und du bist der Blamierte. I hab dir's ja gestern schon g'sagt.« Der Chef ließ sich die Meldung übersetzen, und seine Haltung wurde darauf ganz dienstlich. »Ich kann Ihnen nicht helfen, Korporal, Sie müssen sehen, wie Sie sich aus der Affäre ziehen. Außerdem muß ich Sie bitten, meine direkten Untergebenen, ich habe dabei besonders den Korporal Baskakoff im Auge, rücksichtsvoller zu behandeln.«
    Der alte Kainz nickte verständnisvoll zu den Worten des Chefs, deren Sinn er verstand, und als dieser geendet hatte, sagte er laut und deutlich, mit einem innigen Lächeln, so als gebe er dem Chef seine ungeteilte Zustimmung: »Du dreckiger Fallott, du Hosenscheißer.« Da Veitl an der Küchentür laut auflachte, sah sich der Chef mißtrauisch um, blickte Kainz scharf in die Augen, der jetzt nur: »Oui, bon, Chef«, sagte, mit einem so naiv bewundernden Ausdruck, daß der Chef sich kurz umdrehte und davonschritt. Sein Wippen gelang nicht wie sonst, es war ein wenig unsicher geworden. Aber Baskakoff hatte die Worte, die ihn in Schutz nahmen, mit einem tiefen Atemzug eingesogen. Er wuchs sichtlich und ließ als Zeichen des Triumphes seine abstehenden Ohren rot leuchten.
    Auf Smith übten die Worte des Chefs eine unerwartete Wirkung aus: er rückte von Lös ab, zweimal grub er seine Absätze in den Boden und zog sich nach, wie ein vollgesogener Blutegel an seinem Saugnapf. Aber des alten Kainz deutlich gezeigte Verachtung ließ ihn innehalten: seine Wangen wurden zu zwei reifen Pfefferfrüchten, er pfiff die Anfangstakte von Tipperary und benutzte die eingegrabenen Absätze, um sein Gesäß wieder zurückzuschieben. Aber die anderen hatten keine Rücksicht zu nehmen. Veitl verschwand in der Küche, Mehmed in einer Baracke, und Baskakoff zeigte Befriedigung. Kainz hatte seinen Kaffee getrunken. Er half Lös beim Aufstehen, faßte ihn unter und zog ihn mit sich fort. Aber die scharfe Stimme Leutnant Mauriots traf die beiden von hinten und ließ sie mit einem Ruck herumfahren. Lös machte seinen Arm frei.
    Der Leutnant war stehengeblieben. Sein Ruf gellte noch einmal über den Hof. Und mit derselben gellenden Stimme, die auch beim Schreien ihr Näseln nicht verlor, fuhr er fort: »Auf was warten Sie, Korporal, wenn ich Sie rufe?« Und von Baskakoffs lautem Kichern verfolgt, setzte sich Lös in Trab, blieb drei Schritte vor der weißen Gestalt stehen und grüßte.
    »Seit wann ist es gestattet, daß ein Gradierter mit seinen Untergebenen Arm in Arm geht?« Offenbar verlangte der Leutnant keine genaue Zeitangabe auf diese Frage, denn er fuhr sogleich fort. »Das hat aufzuhören. Und was hat es zu bedeuten, daß der Bäcker in Ihrer Kammer, in Ihrem Bett liegt? Hat er nicht sein eigenes Quartier? Ich muß mich immer mehr über die Freiheiten wundern, die Sie sich in letzter Zeit erlauben. Also antworten Sie. Halt«, sagte er, als Lös sprechen wollte, »ich weiß, daß mich gestern abend jemand stören wollte, um mir mitzuteilen, es sei ein Mann erkrankt. Ich bitte Sie, wenn ich schlafe, kann meinetwegen der ganze Posten verrecken, ich will schlafen, verstehen Sie – und merken Sie es sich für ein anderes Mal. Also bitte…«
    Lös erzählte, daß er Frank nach den Symptomen, die er gezeigt habe, für typhusverdächtig gehalten und deshalb eigenmächtig an den Herrn Major [Ärzte und Intendanzoffiziere nennt man in der französischen Armee ›Monsieur‹ und läßt darauf die Bezeichnung Major oder Intendant folgen, mit vorgesetztem Artikel; es ist dabei gleich, welchen militärischen Rang sie bekleiden: ob Unterleutnant oder Oberst, sie werden Monsieur le Major oder Monsieur l'Intendant genannt.] in Rich telephoniert habe. Dieser sei einverstanden gewesen, heute noch zu kommen, um nach dem Kranken zu sehen. Dem Kranken aber gehe es viel besser, und er, der Korporal, fürchte nun, daß der Herr Major die Belästigung übelnehmen werde. Lös stand während seiner ganzen Rede in vorschriftsmäßiger, steifer Haltung,

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