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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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so als habe die Zunge nicht genügend Raum im Munde. »Wollen Sie niederknien vor mir, Korporal, und bitten um Verzeihung mich?« Er lächelte nicht einmal, als er diesen Vorschlag machte, sondern ließ den Unterkiefer hängen und blickte Lös von unten ins Gesicht.
    ›Knie nieder vor mir und ich will dir… und ich will dir… Nein, so heißt es nicht. Wie heißt es doch in der Versuchung, als der Teufel den Herrn versuchte?‹ dachte Lös, so stark, daß er die letzten Worte murmelte.
    »Wie bitte?« Baskakoff war ganz Frage. Lös schüttelte den Kopf: »Nein, das geht natürlich nicht«, sagte er trocken. »Dann mach nur deinen Rapport.« Er ging mit festen Schritten in seine Hütte zurück, legte sich aufs Bett und wartete. Nach kurzer Zeit schlich der Chef herein. Lös hatte ihn nicht kommen hören. Er sah Narcisse erst, als die schwere Gestalt die Dämmerung verdunkelte, die durch die Türe drang. Der Chef betrat das Zimmer nicht, eindringlich flüsterte er: »Baskakoff hat Rapport gemacht, ich muß ihn weiterleiten, an den Leutnant. Der ist noch nicht zurück von der Jagd. Einen guten Rat: Reg dich nicht auf, laß dich einsperren. Diskutier nicht mit dem Leutnant. Sobald der Alte zurück ist, werd' ich versuchen, dich herauszubeißen. Aber vor allem: Motus, Schweigen! Sprich nicht von mir! Verstanden? Ja? Dann ist alles in Ordnung. Ich werd' sehen, daß ich mitkommen kann, wenn man dich holt.« Der Schatten verschwand aus der Tür, Lös blieb regungslos liegen.
    Die Dämmerung wurde schwärzer; sie war schwül, wie der Morgen. Große Schweißtropfen liefen über Lös' Stirn. Er stand auf, packte eine Decke und legte sich draußen auf den Boden, dicht neben den Weinschuppen an einen Platz, von dem aus er den Eingang der Verpflegung im Auge behalten konnte. Die Hände unter dem Kopf verschränkt, blickte er in den gläsernen Himmel. Türk kam schnaufend und ließ sich niederplumpsen. Die Stille war so feierlich, daß Lös die Augen schloß. Als er sie wieder aufschlug, lag die Nacht über der Erde.
    Plötzlich richtete er sich auf. Das Kläffen des kleinen Fox kam näher, näher… Schritte knirschten auf dem Kies. »Jetzt kommen sie mich holen«, dachte Lös. Trotz der Hitze waren seine Füße kalt, und seine Fingernägel schmerzten wie bei hartem Frost. Er hörte des Leutnants Stimme, er rief seinen Namen; da stand er auf und ging mit schweren Schritten seinem hellen Häscher entgegen.

Die Verzweiflung
    Der Nachthimmel hat alles Licht aufgesogen. So dunkel ist es zwischen den Schuppen, daß Lös nur Mauriot an der weißen Uniform erkennt. Doch zwei andere begleiten den Leutnant. Die eine Gestalt gleicht einem Bauernweib, mit ihren weitausladenden Hüften, mit ihrem schwingenden Gang: der Chef. Aber die andere? Lös strengt seine Augen an, die Gestalt ist breiter als Mehmed, schmäler als Smith; noch will Lös sie nicht erkennen… Und doch, zweifellos: Baskakoff. Lös fühlt, daß er rot wird, er schämt sich und preist die Dunkelheit, die seine Scham verbirgt. Er seufzt schwer auf und ruft: »Türk!« leise und zaghaft, als sei auch dieser Hilferuf schon Verbotenes. Der Hund ist neben ihm und stößt ihn mit der Schnauze.
    »Lassen Sie Ihren Hund in Ruhe. Sie werden wohl wissen, wohin Sie jetzt geführt werden. Geben Sie mir den Schlüssel zu Ihrem Koffer… und dann führen Sie den Korporal«, das Wort klingt höhnisch, der Leutnant rahmt es in unsichtbare Anführungszeichen ein, wiederholt es, »den Korporal in seine Zelle, Chef.«
    Der Chef nickt, er winkt Baskakoff, die beiden nehmen Lös in die Mitte. Dieser kehrt sich noch einmal um, ruft sehr laut:
    »Schlüssel besitze ich keine. Es ist alles offen. Und wenn etwas nicht klar sein sollte, in den Büchern oder sonst, so lassen Sie mich rufen, mein Leutnant.« Lös ist selbst verwundert, daß seine Stimme so fest klingt, und er freut sich, daß er doch Überlegenheit zeigen kann. »Pschsch«, machte der Chef, »kein Grund zum Übermut.« Aber Leutnant Mauriot hat wohl die Worte nicht gehört, denn er ist schon in der kleinen Hütte verschwunden; das Licht darin flackert unruhig zuerst, dann dringt's als ein stilles Leuchten aus dem Fenster…
    Zwischen seinen beiden Wächtern geht Lös und schweigt. Er denkt an nichts, denn den ganzen Tag hat die Sonne auf das Wellblech geschienen. Nun ist endlich die Angst verschwunden, und eine stille Befriedigung hat ihr den Platz geräumt, eine Freude auch, daß man nun bald allein sein wird; keine Verantwortung

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