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Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion

Titel: Gourrama: Ein Roman aus der Fremdenlegion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Glauser
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riechen, die er durch seine Abwesenheit verpaßt hat. Aber der Chef bleibt undurchdringlich, er hat seine Taschenlampe gelöscht – und bösartig kauern die Baracken nebeneinander.
    Narcisse zieht seinen Ledergurt um zwei Löcher enger; diese Geste gibt ihm den nötigen Halt und er fährt fort – abstandhaltend, dienstlich:
    »Ich muß Sie jetzt einschließen, Korporal! Gehen Sie in die Zelle. Vielleicht läßt Sie der Leutnant diese Nacht noch rufen. Seien Sie bereit, ihm Auskunft zu geben. Er will vollständig orientiert sein, um dem Capitaine bei seiner Rückkehr einen genauen Rapport abstatten zu können. Sie können gehen, Baskakoff, ich brauche Sie nicht mehr.« Baskakoff wird von der Nacht verschluckt. »Da«, sagt der Chef und drückt Lös eine Schachtel in die Hand, »aber laß dich nicht erwischen.« Es sind Zigaretten, englische Zigaretten, ohne Zweifel, sie sind rund und hart, ein wenig feucht, nicht zu verwechseln mit den algerischen ›Job‹, die in der Cooperative verkauft werden. Lös hat nicht Zeit zu danken. Die Tür fällt zu, der Riegel knirscht und weiche Tritte entfernen sich.
    Da kommt es Lös in den Sinn, daß er Durst hat. Er will zur Tür gehen und sie öffnen; in seiner Kammer hat er noch schwarzen Kaffee, oder nein, der Brunnen im Hof ist näher. Er prallt mit dem Kopf gegen das dicke Holz und tastet nach der Klinke. Die Bretter sind rauh, ein Splitter bleibt unter dem Nagel seines Zeigefingers stecken. Aber keine Klinke ist zu finden, kein tröstlicher Vorsprung, nicht einmal ein Loch, ein Schlüsselloch!
    »Eingesperrt«, denkt Lös; die Dunkelheit ist zu greifen und der Durst wird unerträglich. Lös will auf und ab gehen, aber er stößt das Knie schmerzhaft gegen den Zementblock und fällt vornüber. Er überlegt, ob er liegen bleiben soll, dann setzt er sich auf, erhebt sich noch einmal, um die schiefe Matratze zurechtzuschieben, setzt sich, zieht die Beine an und lehnt den Kopf gegen die kühle Mauer.
    Kein Laut dringt von draußen in die Zelle. Die Mauern sind dick, durch eine Ritze der Tür schimmert ein wenig helle Dunkelheit: der Ausdruck gefällt ihm. Jetzt knirschen draußen Schritte. Werden sie halten? Holt man ihn zum Leutnant?… Die Schritte gehen vorüber.
    Das Starren in die Finsternis mit weit offenen Augen begünstigt das Austreten der Tränen. Lös klappt mit den Lidern. Nun muß er gähnen, das Gähnen zerreißt ihm schier die Mundwinkel, er dehnt die Arme, die Gelenke knacken, – ein Geräusch, das die Stille erschreckt, das Gähnen wird zum Krampf, und die Tränen rinnen über seine Backen. In der Dunkelheit ist es, als senke sich die Decke langsam herab wie eine schwere Grabplatte, die ihn erdrücken will. Aber all die Bewegungen, die er ausführt, wie unter einem Zwang, werden von einem Fremden ohne Erregung festgestellt, einem Fremden, der all dies wahrnimmt, ohne daß er davon bedrückt ist, weil sie für ihn nur die Begleiterscheinungen eines Experimentes sind, dessen Ausgang noch ungewiß ist.
    Schritte kommen aus der Ferne, sie hallen wider zwischen den leeren Baracken und füllen die Zelle mit ihrem Dröhnen. Unten an der Tür ein leises Scharren. »Türk«, ruft Lös. Aber nun stehen auch die Schritte still, der helle Streif, der die Türe teilt, verschwindet, und eine flüsternde Stimme spricht: »Korporal, schläfst schon Korporal?«
    »Nein!« Es scheint Lös, als sei seine Antwort ein lauter Schrei. Aber gedämpft fragt der alte Kainz weiter: »Ich hab dich nur fragen wollen, ob du noch Zigaretten hast.« Türk heult laut, ein Klaps beruhigt ihn.
    Ärgerlich antwortet Lös, er brauche nichts.
    »So, so«, sagt der alte Kainz draußen. »Das macht nix. Ich hab noch eins, das ich net brauch. Wart, i schieb dir's unter der Tür durch.« Lös bückt sich, er hält das Paket, da greifen Finger nach den seinen, umspannen sie mit festem Druck. Der alte Kainz will sein Mitgefühl zeigen. »Korporal, wenn ich dir helfen kann, dann sag's nur. I b'schwör alles, was du willst! Daß es dich hat nehmen müssen!« Pause. Kainz räuspert sich. »Was ich hab fragen wollen. Wo hast du das Geld, das dir der Jud heut nachmittag gegeben hat? Ist das in Sicherheit? Sonst sag mir, wo du's versteckt hast, ich hol's dann und heb dir's auf. Gern heb I dir's auf.«
    Wie schade, daß ich das Gesicht des Alten nicht sehen kann, denkt Lös. Meint er's ehrlich? »Nein«, sagt er laut, »das Geld ist in Sicherheit.«
    »Is mir eh lieber so« – nach der Stimme zu urteilen, ist

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